„Fading“ – verschwunden, fast verbrannt

„Fading ... and it fades, fades, fades“ heißt die Multimediainstallation von Natscha Bindzus und Holger Trülzsch (unterstützt von der Kulturellen Filmförderung S.-H.), die bis zum 4. Januar in der Kieler Stadtgalerie gezeigt wurde (wir berichteten) - schon der Titel deutet an, dass es dabei um das Verschwinden geht. Und als ob sich das Programm der in vielem bewusst geheimnisvoll raunend bleibenden Installation ins „real life“ überträgt, erlitt die Installation am 23.12. eine ebenso bestürzende wie zum Thema passende Publikumsreaktion: Ein geistig umnachteter Ausstellungsbesucher setzte einen Teil des zur Installation gehörenden Zeitungsarchives in Brand.

Zwar hielt sich der Sachschaden durch das schnelle Eingreifen der Stadtgalerieangestellten in Grenzen, doch bei der Finissage am 4. Januar klaffte im „Archiv-“ oder auch „Erinnerungsteil“ der Installation sichtbar jene „schmerzliche Lücke“, um die sich die Installation dreht.

Natascha Bindzus führte ein letztes Mal durch die Installation und ließ im Gespräch am Rande durchblicken, dass sie wie auch ihr Kollege Holger Trülzsch über den „Brandanschlag“ nicht nur empört waren. Ein Gespräch mit dem Täter hätten beide gerne gesucht, hielten sie doch diese spezielle Reaktion auf das Kunstwerk in gewisser Weise für ihre Aussage angemessen. Allein: Die Stadtgalerie hielt sich bedeckt über die Identität des Brandstifters und versuchte auch jeden Presserummel zu vermeiden, um - so war zu hören - keine Nachahmungstäter anzuregen.

Dennoch, die „schmerzliche Lücke“, die in einem Video, Teil der Installation, der Dichter Heinrich Heine besingt, als „Aufklärer, der dem Lyriker die Maske herunter reißt und die kapitalistische Sprache des Tausches in den Laut übersetzt“, so Natascha Bindzus, war somit zum Ende der Ausstellung handgreiflich manifest.

Wo Stadträume als Identifikationsräume verschwinden, wo die Weltstadt (in einem weiteren Video der Installation ist es Kiel, in den videografierten Stills von Holger Trülzsch ist es Marsailles) zur geräuschsausenden und austauschbaren „Allerweltsstadt“ wird, ist das „Fading“, das Ausblenden allgegenwärtig, sozusagen auch, das zeigt die Reaktion der Stadtgalerie auf die Brandstiftung, in der Gegenwart des Kunstbetriebes.

Nicht zuletzt den hatte „Fading“ mit der Installation sowohl hinterfragt als auch einen neuen Raum für Kunst eröffnet: Kunst als „Sprache der Liebe übersetzt in Architektur“, als eine erinnernde Sammlung „einer überkommenen Form“ (im manisch zusammengesammelten Teil mit hunderten von Postkarten, Fotos und Ausschnitten aus demoskopischem Fragebogenmaterial), als „Geschichte von Fragen“, als - um in der Intention Baudelaires zu sprechen - „dem Kapitalismus gerade noch abgezwungenes Traumbild“.

„Fading“ fadete am Ende buchstäblich, als Bild eines Restes, das dennoch durch seine vielschichtige Anlage besticht und das Verschwinden thematisiert, indem es selbst zum Verschwinden tendiert und zumindest einen Ausstellungsbesucher zur Tätlichkeit des Verschwindenmachens anregte. (jm)

zurück zum Inhalt