46. Nordische Filmtage Lübeck

Porträt eines naturbewegten Malers

„Æ Smutsten - Ringe im Wasser” (DK/D 2004, Maiken Dethlefsen, Thomas M. Lampe)

„Smutsten” ist das dänische Wort für einen flachen Wurfstein, der über die Wasseroberfläche hüpft und konzentrische Wellen hinterlässt, die sich ausbreiten und miteinander verschränken. Dies ist das Titel gebende Bild, das die aus Nordschleswig stammenden Filmemacher Maiken Dethlefsen und Thomas M. Lampe für ihren Dokumentarfilm über den Maler Nikolaus „Niko” Wöhlk (1887-1950) gewählt haben, um dessen Leben und Wirken zu umschreiben. Der Film wird hauptsächlich aus der Erinnerungsperspektive der „old boys” erzählt, der alten Herren, die in den 20er Jahren als Jungen der Wandervogel-Bewegung in Apenrade angehörten, wo Niko Wöhlk als Sport- und Zeichenlehrer tätig war.

Nikolaus Wöhlk (1887-1950), Selbstportrait im letzten Lebensjahr

Der Norden der seit 1866 preußischen Provinz Schleswig-Holstein, war 1920 nach einer Volksabstimmung im Rahmen des Versailler Vertrages an Dänemark angegliedert worden. Die Deutschen in diesem Landesteil waren nun zur Minderheit geworden, was ihr ohnehin ausgeprägtes Nationalbewusstsein weiter förderte. Der 1919 aus Husum zugereiste Nikolaus Wöhlk wurde zu einer kulturellen Identifikationsfigur dieser Bevölkerungsgruppe, weil er sich künstlerisch mit den menschlichen und landschaftlichen Eigenarten dieser Region auseinandersetzte und als Lehrer eine Leitfigur für die Jugend wurde.

In seinem Nonkonformismus und seiner Liebe zur Natur wurde er Vorbild für die Jungen vom Apenrader Wandervogel, einer der zahlreichen Lebensreformbewegungen der Jahrhundertwende, die nach den Erfahrungen von Industrialisierung und Weltkrieg ein neues, Natur verbundenes Menschsein anstrebten und das Gemeinschaftserlebnis beim Wandern und Singen suchten.

In seinen Gemälden der 20er Jahre, die farblich an den Expressionismus Emil Noldes erinnern und deren Figuren an die hageren Gestalten Egon Schieles angelehnt scheinen, kleidete Niko Wöhlk die Thematik der männlichen Gefolgschaft und Freundschaft, ähnlich wie Nolde, in religiöse Sujets. Die Bilder tragen Titel wie „Jesus und Johannes”, „Gethsemane” oder „Der Menschensohn”.

Interessant sind vor allem die Bruchstellen im Persönlichkeitsbild der Figur Niko Wöhlk, die der Film eher am Rand erwähnt. So musste er, der sich offensichtlich in seinen nationalen Wertvorstellungen als traditionell „deutscher” Künstler fühlte, entsetzt feststellen, dass eins seiner Aquarelle 1937 in der Münchner Ausstellung „Entartete Kunst” präsentiert wurde. Auch seine körperbetonte Naturverbundenheit, entsprang zu einem großen Teil spätromantischen Vorstellungen, die ihn nicht davon abhielten, sich während der Arbeit - trotz Herzfehler - nur von Kaffee und Zigaretten zu ernähren.

Formal gibt sich der 53-minütige Dokumentarfilm recht schlicht. Er enthält sich eines gesprochenen Kommentars und füllt den Raum zwischen den (nostalgisch sepia gefärbten) „talking heads” mit kleinen Reinactment-Szenen und Landschaftsbildern von heute.

Er trägt dazu bei, ein wenig bekanntes Kapitel in der deutsch-dänischen Regionalgeschichte zu erhellen und gibt gleichzeitig Einblicke in eine Zeit, die in ihrer romantischen Sehnsucht nach Erneuerung, nationaler Identität und geistigen Leitbildern offen war für viele neue Lebensentwürfe, aber auch anfällig für die Verlockungen des Faschismus. (Lorenz Müller)

„Æ Smutsten - Ringe im Wasser”, DK/D 2004, 53 min; Buch, Regie, Produktion: Maiken Dethlefsen, Thomas M. Lampe; Kamera: Torben K. Madsen, Allan J. Nielsen; Schnitt: Allan J. Nielsen. Gefördert von Kultureller Filmförderung Schleswig-Holstein, Bund Deutscher Nordschleswiger, Danske Videoværksted.

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