Schleswig-Holstein Musikfestival 2005:

Pop und Circumstances

Nigel Kennedys „Rumble“ in der Lübecker MuK.

„Ready to rumble?“ fragt Nigel Kennedy den Dirigenten des Polish Chamber Orchestra Jacek Kaspszyk. „Monströses“ (O-Ton Kennedy) liegt vor ihm, Edward Elgars „Violinkonzert h-moll, op. 61“. Eine Stunde „Pomp“ und elegisch grüblerische „Circumstances“, wo der Geiger in fransigen Grunge-Klamotten und punkig aufstampfenden Springerstiefeln selbst Elgars chronisches auf der Stelle Treten zum Tanz um ein engelhaft glänzendes goldenes Kalb macht.

Nicht viel anders geht es in Emil Mlynarskis „Violinkonzert D-Dur, op. 16“ zu. Ein verhutzelt erhellendes Werk, in dem Kennedys Solo-Violine Expressives mit einer ebenso virtuosen wie bewusst fahrigen Leichtigkeit aus dem schwül Spätromantischen zurück in die kühle Postmoderne holt. Nach jedem Satz gibt’s Szenenapplaus und Kennedy stößt mit Dirigent und Konzertmeister die Faust, kumpelhafte Gesten eines unbedingten musikalischen Einverständnisses zwischen Solist, Orchester und nicht zuletzt dem Komponisten.

Doch wirklicher „Rumble in the Jungle“, Pop statt solch schwerflüchtiger Umstände, herrscht in Bachs „Konzert d-moll für zwei Violinen, BWV 1043“. Wer hier der wirkliche Wirbler ist, bleibt unentschieden. Denn im Dialog der Geigen von Kennedy und des 15-jährigen Lübecker Talents Azadeh Maghsoodi wirkt ersterer wie der Bewahrer zärtlicher Circumstances, während Maghsoodi mit burschikosem Strich dem Klassik-Revoluzzer fast den Rang abläuft. Minutenlanger Beifall auch hier zwischen den Sätzen. Und dass das fulminante Allegro wiederholt wird, begeistert ebenso wie Kennedys zugegebene Bach-Partita: Nach Elgars Reich eine poetische Elfen-Etüde, zu der die poppigen Ovationen umstandshalber stehende sind. (jm)

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