Schleswig-Holstein Musikfestival 2005:

Schwermut und Schwirren

Sonatori de la Gioiosa Marca und Sergio Azzolini in der Klosterkirche Bordesholm

Dass der Barock ein Zeitalter der Gegensätze sei, mag man beim Vielschreiber Antonio Vivaldi nicht immer glauben, mal abgesehen von seiner stilbildenden Erfindung des Schnell-Langsam-Schnell-Wechsels im Concerto grosso. Doch gerade in seinen Fagottkonzerten zeigt Vivaldi einen erstaunlichen Erfindungsreichtum der Affekte, der den Fagottisten Sergio Azzolini zu bisweilen geradezu „headbangender“ Spielfreude anregt. In der Bordesholmer Klosterkirche an seiner Seite die Sonatori de la Gioiosa Marca, Spezialisten des spezifisch venezianischen „Sounds“ à la Vivaldi.

Solist wie Ensemble deuten die Tempi als Extreme, ein Allegro ist meist ein Presto, in dem die Streicher schwirren und Azzolini dem an sich schlank zurückhaltenden Klang des Barockfagotts pointierte Flügel verleiht, flatterhaften Schwindel erregend in den schnellen Sätzen, aber umso engelhaft sanfter in den langsamen. Zwischen Pocher und Poet bewegt sich das Fagott etwa im enervierten „Konzert a-moll RV 498“. Mal ist es tickende Nähmaschine, mal leise kurbelndes Spinnrad, in jedem Fall ein Soloinstrument, das alle ihm nachgesagte Schwerfälligkeit Lügen straft. Noch dezidierter lesen die Sonatori und Azzolini die Gegensätze aus dem „Konzert B-Dur RV 501“, dessen Beiname „La Notte“ ein Programm zwischen Nachtmahren und Schlaf hinein ins aufziehende Morgenrot nicht nur ankündigt. Azzolini lässt sein Instrument burlesk „schnarchen“ und himmlisch schwermütig ins Licht träumen.

Einleuchtender kann man Vivaldi, den luziden Gestalter der Gegensätze, nur noch in der „Triosonate d-moll, La Follia“ hören. 21 eigentlich recht konventionelle Variationen, die unter dem Strich der Sonatori jedoch jede zu einer Charakterminiatur werden. (jm)

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