Bilderjäger

Daniel Krönkes Kurzfilm „Wolkenjäger“

Die Super-8-Kamera im Park, lebenslustigen Mädchen nachstellend, die halb mitleidig, halb frech teasend dem Kameramann ein Tänzchen bieten. Doch das ist nur für den Film. Flugs entschwinden die Tänzerinnen und die Kamera schwenkt in die Leere der Wolken, bevor sie mit dem Mann dahinter im Gras liegen bleibt.

Ein Film im Film über einen Filmer vom Kieler Filmemacher Daniel Krönke, ein Film auf dem „filmischsten“ aller Filmmaterialien, dem grobkörnigen Super 8, und so wie Film in seinen Anfangstagen war, schlicht schwarzweiß, erkennbar als Bild der Wirklichkeit, nicht deren illusionistische Nacherfindung auf Cinemascope. Schon Krönkes frühere experimentelle Filmarbeiten wie der Musik-Clip „Stufe 1“ (1999/2001) oder die Drei-Screen-Projektion „Crosscut“ (2002) beschäftigten sich zumindest auf einer Parallelebene mit dem Medium an sich, den Chancen, die in seinen Beschränkungen liegen, dem engen Konnex von Form und Inhalt. Und so ist auch Krönkes erster Kurz-Spielfilm „Wolkenjäger“ letztlich ein Film übers Filmemachen.

Der verschlossene Marc (Nils Aulike), der sich mit einem Job als Fahrradkurier über Wasser hält, hat seine Super-8-Kamera eigentlich immer dabei. Nur im Blick durch ihr Objektiv scheint sich die Welt wirklich zu öffnen, lassen sich „die Wolken jagen“. Gleichwohl ist die Wirklichkeit nicht so zugänglich, wie sie sich aufs Filmbild bannen lässt.

Namentlich Julia (Katrin Kröncke), Mitarbeiterin in einer Werbeagentur, die zu Marcs Kuriertour gehört, scheint ihm unerreichbar, außer auf heimlich von ihr gemachten Filmbildern. Doch bei einem nicht ganz zufälligen Treff auf dem Jahrmarkt scheint das Eis zu brechen, könnte sich etwas zwischen den beiden entwickeln. Wenn da nur nicht diese „Sucht“ wäre, das auf Film zu konservieren. Und die Furcht, die vor der realen Julia viel größer ist als vor der zelluloidisierten. Marc macht nach dem Rendezvous einen folgenschweren Fehler. Er filmt Julia heimlich, sie entdeckt es. Der Zugang zur wirklichen Welt und zu wirklicher Liebe scheint wieder verschlossen ...

Krönke erzählt diese kleine Geschichte mit offenem Ende nicht nur straff und so „szenisch“, wie Marcs Leben in Super-8-Kassettenlängen organisiert scheint, er gibt ihr auch die für seine Hauptfigur treffende Form: Super-8-Handkamera, rasante Schwenks, die die innere Unruhe wie die ganz auf Film ausgerichteten Blickrichtungen des Protagonisten symbolisieren. Ein Kamerablick auf die Welt, der das Ausschnitthafte, Reduzierende, ja auch das Einsame nicht verleugnet, verstellt, sondern ganz bewusst inszeniert und so die Macht thematisiert, die der Realität abgejagte Bilder haben können, als Gegen- und Fluchtwelt vor der Wirklichkeit, die sich nicht so einfach „montieren“ lässt wie ein Film. Eine Studie über das Zuschauen, den „Ingenieur Voyeur“, der lieber schaut als zu handeln. Und damit sind nicht zuletzt wir als Kinozuschauer gemeint.

Marc und Julia kommen sich auf einem Jahrmarkt näher. Nicht von ungefähr, denn auch dort ist die Wirklichkeit in karusselenden Momenten, im Schwindel (bewusst nur in den „One Takes“ aus Marcs Kamera) bunter Scheinwelt für einen Moment ausgesetzt und der Traum ist die Münze für die Ware Welt.

Die Jahrmarktsequenz ist die temporeichste im Film, geschnitten im Staccato der Bilderfluten eines Musikvideos und von Daniel Johnstons quirlig-melancholischem Song „Dream Scream“ treffend untermalt. Auch die Tonebene verwendet Krönke als probates Mittel der Charakter-, besser: Lebensgefühlszeichnung. Für Marcs unstete Fahrradkuriertouren, deren filmische Rasanz der Jahrmarktsequenz nur wenig nachsteht, schwingt Pete Townshend die Gitarre.

Bei so viel Bild und Klang in Kopf und Bauch können die Dialoge so sparsam gehalten werden, wie sie ein Film, der mit Bildern, nicht mit Worten erzählen will, verdient. Krönke lässt nicht reden, er zeigt. Und eröffnet damit auch manches Augenzwinkern, etwa wenn Marc die begehrte Tour zu Julias Agentur vom Kurierkollegen nur im Tausch für seine coole Sonnenbrille ergattern kann. Dass das Ablegen der Brille dann durchaus auch noch symbolischen Wert hat, spricht ebenso für Krönkes luzide Dramaturgie wie die zwei, drei Super-8-Bildchen, mit denen er Julia am fast doch noch Happy End über ihren filmenden Verehrer lächeln lässt. (jm)

„Wolkenjäger“, 20 Min., Super 8/DV, D 2005. Buch, Regie, Kamera, Schnitt: Daniel Krönke. Produktion: EXPOSED Film. Darsteller: Nils Aulike, Katrin Kröncke u.a. Musik: Pete Townshend, Daniel Johnston. Gefördert (Vertriebsförderung) von der Kulturellen Filmförderung S.-H.

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