Verbotenes Lichtspiel zeigt:

Shocks Italian Style – Träume aus Fleisch und Blut

Im Kino dreht sich alles ums Auge. Nachdem Norman Bates zahlreiche neue Öffnungen im Körper von Marion Crane geschaffen hat, die dem Blut reichlichen Austritt erlauben, schraubt sich die Kamera geradezu in das Auge des Opfers hinein, um schließlich die gleiche Zirkelbewegung beim blutigen Wasser zu registrieren, das sich in den Abfluss einrollt. Sehen schafft Begierde. Sehen ist Sog und Strudel. Sehen kann tödlich sein. Hitchcocks Psycho – ein Startschuss auch für ein italienisches Genre: Im Giallo, der besonderen Spielart des Thrillers in Italien, trachten meist psychosexuell gestörte Masken- und Handschuhträger seit den 60er Jahren in erlesenem, drastisch farbigem Dekor mit einer bemerkenswerten Skrupellosigkeit und Ausdauer attraktiven jungen Frauen nach dem Leben. Als würde im Giallo nicht schon genug Blut vergossen, kommen Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre der Kannibalen- und Zombiefilm auf, die Gewalt eskaliert – auch im Thrillergenre. Ein bizarrer Drang zum Tabubruch entfaltet sich, der Zeigegestus sucht seine Grenzen und verwirft die gefundenen. Und meistens geht es um das Wie, nicht um das Was. Die Handlung ist oft banal, aber der Blick darauf umso gefährlicher. Was das italienische Exploitationkino bemerkenswert macht, ist, dass es oft noch – und vielleicht gerade – seinen drastischsten Exzessen eine alptraumhafte, manchmal fast hypnotisch schöne Gestaltung abringt. Dass es durch seine hartnäckigen Grenzüberschreitungen mitunter nahezu surreal wird. Und dass es auf seinen Höhepunkten Reflexionen über Konstruktion und Dekonstruktion des Blicks, über die Fragilität des Auges, über das Kino nahe legt.

Alle Veranstaltungen laufen in Kiel, mit Einführungen – alle Filme nicht freigegeben unter 18 Jahren.


Torso – Die Säge des Teufels / Torso / I Corpi presentano tracce di violenza carnale
Sergio Martino. I 1973. ca. 89 Min. dt. Fassung
Sergio Martino ist ein Handwerker. Er hat kein Genre neu erfunden, keines auf den Kopf gestellt. Dennoch hat er in allen Spielarten des italienischen Exploitationkinos gute bis sehr gute Filme in hoher Frequenz geliefert. Was Martino anpackt, hat Hand und Fuß, anders als die Opfer in seinem Film Torso. Eher widerwillig trennen sich die Studentinnen der Kunstgeschichte von ihren Gliedmaßen, als ein Serienmörder Rom heimsucht. Um dem Mörder zu entgehen, flüchten sich Jane und ihre drei Freundinnen in das abgelegene Landhaus von Janes Onkel. In der ländlichen Idylle wiegen sich die vier Frauen in Sicherheit, ein drastischer Fehler. Torso vereint alle Bauteile des Giallo: geschmackvolle Fotografie, schöne Locations, noch schönere Frauen, einen maskierten Killer mit schwarzen Handschuhen und einen herausragenden Soundtrack der Brüder De Angelis. Der Whodunnit-Plot bleibt bei all dem auf das nötigste reduziert, ähnlich der Bekleidung der Darstellerinnen. Dabei wirkt der Film bisweilen wie die Blaupause für das Slasherkino der späten 70er und frühen 80er. Sowohl Carpenter als auch Cunningham geben an, von Martino beeinflusst worden zu sein, und Quentin Tarantino verkündet, Torso sei beim Schreiben von Death Proof (USA 2006) seine Vorlage gewesen. Wenn also das popkulturelle Zitat Hinweis auf die Relevanz eines Filmes gibt, dann ist Martinos kleines Meisterwerk großes Kino. Große Unterhaltung bietet es allemal. Do, 6.3., Luna

Blutige Seide / Sei donne per l’assassino
Mario Bava. I 1964. 85 Min. dt. Fassung
„Ich musste einfach etwas Schönes kaputtmachen“ – fast scheint es so, als sei dieser Satz, den Brad Pitt alias Tyler Durden in Fight Club äußert, die zentrale Motivation des Täters im allerersten Giallo der Filmgeschichte. In Blutige Seide finden schöne junge Frauen – Fotomodelle! – eine nach der anderen den Tod. Die Frage nach dem Grund ist allerdings weit weniger wichtig als die Hingabe an die Ausführung. Der Moment, da dem meist forsch und arg unsystematisch agierenden Kommissar Zufall des Rätsels Lösung in den Schoß fällt, ist kaum mehr als ein Zugeständnis an die Erzählkonvention. – Gelb ist der Einband der populärsten italienischen Schundromane – „Giallo“, so der Genrename des Italothrillers, bezeichnet also recht genau die „Pulp Fiction“ italienischer Prägung. Ist es ein Zufall, dass mit Mario Bava ein gelernter Kameramann dieses visuell-voyeuristische Genre aus der Taufe hob? Dass bis heute kaum einer den Plot eines Giallos nachzuerzählen weiß, wohl aber minutiös dessen schaurige Höhepunkte Einstellung für Einstellung beschreiben kann? Natürlich nicht, denn schon in Blutige Seide sind die Angriffe aufs Auge nicht nur Versatzstücke aus der Metaphernkiste des Filmkritikers, sondern handfeste Aktionen der Bösewichtes. Di, 11.3., Weltruf

Die Stunde, wenn Dracula kommt / La Maschera del Demonio
Mario Bava. I 1960. 85 Min. dt. Fassung
Die Inquisition verurteilt die moldawische Prinzessin Asa als Hexe zur grausamen Pfählung durch die „Maske des Dämonen“. Zwei Jahrhunderte später erwecken zwei Reisende versehentlich die Prinzessin, die daraufhin blutige Rache an den Nachfahren ihrer Peiniger nimmt. – Die erste eigenständige Regiearbeit des erfahrenen Kameramanns Mario Bava zeichnet sich durch eine stimmungsvolle, traumartige Visualisierung aus. Mit La Maschera del Demonio begannen die fruchtbaren Jahre des italienischen Horrorgenre. Er gilt heute in punkto Stil, Bildsprache und Drastik als prägenden Klassiker des phantastischen Films. Wir zeigen den meist gekürzten und bis Ende der sechziger Jahre in Großbritannien verbotenen Film in seiner vollständigen Fassung. – Im Anschluss legt Sitzdisco-Jockey Jens Raschke kunterbunte Filmmusik und andere psychedelische Klänge zum Mitschnippen, Rumtanzen oder einfach nur Dahocken-und-eine-bella-figura-Machen auf – natürlich stilecht ausschließlich aus den 60er/70er Jahren! Mi, 19.3., Hansastraße 48

Suspiria
Dario Argento. I 1977. ca. 98 Min.
Die amerikanische Tänzerin Suzy kommt nach Deutschland, um an einer Freiburger Ballettakademie zu studieren. Dort sieht sie sich mit grotesken und mysteriösen Vorkommnissen konfrontiert, und die unheimlichen Gerüchte um die legendäre Gründerin des Internats scheinen schon bald nicht mehr abwegig. Seinen Klassikerstatus verdankt der übernatürliche Horrorthriller vor allem der ihn auszeichnenden extravaganten Ästhetik, die auf eine umfassende Überwältigung und weitreichende Verunsicherung der Zuschauer abzielt. Den Mittelpunkt der farbprächtigen Sequenzen bildet dabei stets Argentos berühmt-berüchtigte Inszenierung des Mordens als fetischisierte Technik. Der kreative Umgang mit Konventionen des Horrorfilms macht den Film jedoch insbesondere für Freunde des Genres auch inhaltlich hochinteressant! Di, 25.3., Prinz Willy

Voodoo – Die Schreckensinsel der Zombies / Zombie 2 / Gli ultimi zombi
Lucio Fulci. I 1979. ca. 98 Min. dt. Fassung
In ihren ersten Filmauftritten in den 30er und 40er Jahren waren Zombies eher bemitleidenswürdige Kreaturen – traurig-schweigende Nachtwandler zwischen Leben und Tod. Nach seinem unerwartet grausigen Night of the Living Dead (USA 1968) schickte George A. Romero dann 1978 Zombies neuer Prägung ins Rennen: grauenvoll verstümmelte Leichen mit nicht enden wollendem Appetit auf frisches Menschenfleisch, das sie ihren entrüsteten Opfern in jeder erdenklichen Weise von den Knochen zerren. – Nur ein Jahr später nimmt uns Lucio Fulci mit in die Karibik – also dorthin, wo der Ursprung der Zombie-Mythen liegt. Anne Bowles, der Reporter Peter West und ein weiteres Pärchen suchen hier nach Informationen über Annes Vater, dessen letzte Lebenszeichen von der Insel Matool kamen. Den Vater finden sie nicht, dafür aber zahllose auferstandene Tote: Opfer einer unbekannten Epidemie (oder eines Zaubers?). Irgendwann kann Anne die Insel glücklich verlassen, aber die Rückkehr nach New York gibt wenig Anlass zur Freude… Romeros Dawn of the Dead initiierte eine ganze Reihe italienischer Rip-Offs, unter denen Fulcis Film zu den stringentesten zählt. Einige spektakuläre Splatter-Sequenzen erfordern mit ihrer quälenden Genauigkeit auch heute noch starke Nerven. Der film-dienst riet – wie immer – ab, wir raten zu! Sa, 29.3., KoKi


Termine:

  • Do, 6. März, 21:00 Uhr im Luna: Torso, 1 EUR
  • Di, 11. März, 20:30 Uhr im Weltruf: Blutige Seide, 2,50 EUR
  • Mi, 19. März, 20:30 Uhr in der Hansastraße 48: Die Stunde, wenn Dracula kommt, 3,50 EUR
  • Di, 25. März, 21:00 Uhr im Prinz Willy: Suspiria, 2 EUR
  • Sa, 29. März, 22:30 Uhr im KoKi: Voodoo – Die Schreckensinsel der Zombies, 4 EUR

Programm-Flyer als PDF

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