Highlights im KoKi Kiel

Das Kieler KoKi zeigt im März und April u.a.:

Film des Monats

Der Häuserfilm
Filmgruppe Chaos. BRD 1984. 168 Min.
Heute erinnern nur noch zwei Jugendstil-Sphingen über einem Nebeneingang zum Kieler Sophienhof daran, dass hier bis in die 80er-Jahre hinein ein prächtiges Ensemble nur teilweise zerstörter Altbauten stand. Im Zuge der städtebaulichen Maßnahmen entwickelte sich hier eine vitale Hausbesetzerszene. Die Filmgruppe Chaos näherte sich diesem Phänomen mit Super8-Kamera. Was als Kurzflilm geplant war, verselbstständigte sich. Einige der Filmer zogen in die besetzten Häuser ein, richteten sich einen Arbeitsraum ein und eröffneten ein Super8-Kino. Das Material wuchs unablässig, und erst die Räumung der Häuser ermöglichte die Fertigstellung des mehr als zweieinhalbstündigen Dokumentarfilms. Nach zahllosen Vorführungen verschwand dieses Werk in den Schubladen der Filmemacher. Das im Laufe der Jahre stark beschädigte zeithistorische Dokument wurde restauriert, jetzt, im neuen Glanz, ist es nicht länger ein Werk nur für Hartgesottene. Es führt uns zurück in eine aufregende Zeit, in der es in Kiels Zentrum noch wunderschöne historische Gebäude gab, vor dessen Fassaden die Barrikaden der Besetzer brannten. Die Premiere der restaurierten Version des Filmes findet am gleichen Ort statt, in dem er vor 24 Jahren seine Uraufführung hatte: im großen Saal der Pumpe.
Sa, 12.4., 20 Uhr

Jetzt in der OmU

Dialog mit meinem Gärtner
Jean Becker. F. 2007. 109 Min. OmU. Mit Daniel Auteuil, Jean-Pierre Darroussin
Ein Maler kehrt von Paris in das Haus seiner Kindheit im ländlichen Frankreich zurück. Um das Bauwerk erstreckt sich ein großer Garten, für dessen Pflege er weder Lust noch Laune aufbringt. Auf eine Anzeige hin meldet sich ein alter Freund aus dem Dorf. Sehr unterschiedlich haben sie sich entwickelt, seit sie als Knirpse Schule und Dorf unsicher machten. Indem er ihn tagsüber bei seiner Arbeit beobachtet, entdeckt der Maler nach und nach einen Menschen, der ihn durch seine einfache Sicht der Dinge immer mehr erstaunt. Und doch können der erfolgreiche, etwas abgehobene Künstler aus Paris und der scheinbar einfache Landarbeiter ihre alte Vertrautheit wieder aufleben lassen in langen Gesprächen über Familie, Karotten, Kürbisse, Leben, Tod, Flugreisen, Johannisbeerbüsche, Geschmack und Farben. Durch die Augen des jeweils anderen erfahren sie die Welt in einem neuen Licht. Altmeister Jean Becker erzählt die Geschichte einer Freundschaft – mitreißend, warmherzig, berührend, eine Geschichte über das Leben, die heiteren und traurigen Momente, den Unterschied zwischen genießbarem und himmlischem Gemüse und über die Frage, ob ein Salat so schön sein kann wie ein Gemälde.
Sa, 22.3. - Mo, 31.3.

The Darjeeling Limited
Wes Anderson. USA 2007. 91 Min. OmU. Mit Adrien Brody, Natalie Portman
In seinem fünften Spielfilm erzählt Ausnahmeregisseur Wes Anderson von der Indienreise dreier Brüder, die seit dem Tod ihres Vaters vor einem Jahr das erste Mal wieder zusammen kommen. Für jeden von ihnen bedeutet die Fahrt mit dem titelgebenden Zug zunächst die Flucht vor einem sie überfordernden Leben, entwickelt sich dann jedoch tatsächlich zu einer heilsamen, versöhnlichen Selbsterkundung, auch wenn diese wenig mit der pseudo-spirituellen Reise gemein hat, als die sie begonnen wurde. – Anderson und sein bewährtes Team von Kollaborateuren konzentrieren sich nach Filmen wie Rushmore, The Royal Tenenbaums und Die Tiefseetaucher in dieser melancholischen Komödie weiter auf das Thema der dysfunktionalen Familie und auf die Selbstreflexion traumatisierter Figuren. Ebenfalls erhalten ist Andersons Freude am Detail, die seine Filme von jeher prägt und die in Form eines farbenfrohen und immer überraschenden indischen Settings auch den aktuellen Ausschnitt dieses ganz individuellen filmischen Universums bestimmt. Substanz und stilistische Extravaganz gehen dabei stets Hand in Hand und machen The Darjeeling Limited zu einem unvergesslichen, herrlich dandyhaften Kinoerlebnis. – Vor dem Spielfilm zeigen wir den dreizehnminütigen Kurzfilmprolog Hotel Chevalier.
Do, 20.3. - Mi, 26.3.

Neu in Kiel

Das jüngste Gewitter
Roy Andersson. S/F/D 2007. 90 Min. Mit Håkan Angser, Björn Englund, Erick Bäckman, Elisabeth Helander, Gunnar Ivarsson, Lennart Eriksson
Irgendwo in einer großen Stadt. Eine dicke Frau auf einer Parkbank jammert, dass sie niemand lieben würde, selbst ihr Hündchen nicht. Ihr Freund, ein dicker Hell’s Angel, hört gelassen zu. Die Belegschaft eines Restaurants gafft zum Fenster hinaus auf den Bürgersteig, wo sich ein gebrechlicher Rentner mit seiner Gehhilfe abmüht, seinen röchelnden Hund hinter sich herschleifend. In einer trostlosen Mietwohnung übt ein dürrer Mann Susaphon und ignoriert die Proteste seiner Frau. Gegenüber auf dem Balkon steht ein dicker Mann und beobachtet den Wohnblock. Roy Andersson, schwedischer Filmemacher Jahrgang 1943, wandte sich nach ersten internationalen Erfolgen und Auszeichnungen 1976 von konventionellen Erzählweisen ab und entwickelte seine ihm eigene, unverwechselbare Ästhetik: Deren Bausteine sind eine unbewegte Weitwinkelkamera, weiches, schattenloses Licht und wie ferngelenkt, stoisch wirkende Figuren. Probierte er diese Erzählweise der starren Tableaus zunächst in Werbespots aus, die ihm weltweite Aufmerksamkeit und Aufträge einbrachten, produzierte er 1987 und 1991 zwei ähnlich konzipierte Kurzfilme, bis er 2000 seinen abendfüllenden Spielfilm Songs From the Second Floor vorstellen konnte. Das Prinzip der Reihung ist diesen Filmen gemein: Es entsteht ein Reigen archaisch wirkender Urszenen, in denen die menschliche Kreatur zurückgeworfen ist in grundsätzliche Nöte und Freuden. In der Hávamál Ballade, einer Sammlung von Sprichwörtern aus einem der ältesten Texte der skandinavischen Literatur, heißt es: „Der Mensch ist des Menschen Freude“. Oder anders gesagt: die größte Freude des Menschen ist der Andere. Der Mensch ist ein soziales Wesen, sein Bedürfnis nach zwischenmenschlichen Beziehungen bringt ihm Schmerz und Freude. Andersson gelingen skurrile Einblicke in die grundlegende Wahrheit dieser überlieferten literarischen Weisheit.
„Andersson hat aus seiner lakonischen Betrachtung der menschlichen Natur konsequent jede überflüssige Aktion, jedes überflüssige Wort und sogar jeden auffälligen Farbton verbannt. Passend zur oftmals melancholischen Stimmung reduziert sich die Farbgebung auf eine Reihe von deprimierenden Grau- und Brauntönen. Inmitten dieser optischen Tristesse gedeiht ein alberner, schwarzer, manchmal auch mehr als absurder Humor. Kein Einfall scheint zu abwegig, als dass Andersson nicht wüsste, ihn auf irgendeine Weise in sein existenzialistisches Mosaik einzubauen. Pointen wie die skurrile Gerichtsverhandlung samt Bierausschank oder die Momentaufnahme aus dem Alltag eines Fensterputzers entstammen einem typisch nordischen Humorverständnis, das schon Filmemacher wie Aki Kaurismäki und Bent Hamer („Kitchen Stories“) für ihre lakonischen Geschichten nutzten. Neben aller Komik blickt Andersson aber auch mit großem Ernst auf sein Ensemble. Dabei deckt er Hoffnungen und Sehnsüchte auf, die ungelebt und unausgesprochen bis zuletzt auf ihre Erfüllung warten.“ (programmkino.de) Do, 20.3. - Mi, 2.4.

Caramel
Nadine Labaki. Libanon/F 2007. 96 Min. dt. Fass. Mit Nadine Labaki
Fünf Frauen treffen sich regelmäßig in einem Beiruter Schönheitssalon, um sich über ihr Leben und die Liebe auszutauschen. Zwischen Haarschnitten und Kosmetikbehandlungen vertrauen sie sich ihre verborgensten Wünsche und tiefsten Geheimnisse an. Layale (gespielt von Regisseurin Nadine Labaki) liebt einen verheirateten Mann und bemerkt gar nicht, dass sie einen Verehrer hat, der alles für sie tun würde. Nisrine wird demnächst heiraten, aber sie ist schon lange keine Jungfrau mehr. Rima verliebt sich in eine Kundin des Schönheitssalons und Jamale hat furchtbare Angst vor dem Älterwerden. Die Schneiderin Rose lebt nur für ihre kranke Schwester, doch mit dem Gentleman Charles tritt zum ersten Mal die Liebe in ihr Leben. Hin und hergerissen zwischen der Tradition des Ostens und der Moderne des Westens, zwischen dem fast dörflichen Mikrokosmos ihres Stadtteils und der quirligen Großstadt versuchen die fünf Frauen auf ihre Weise ihr Lebensglück zu verwirklichen. Caramel ist eine sinnliche Reise durch den Orient und ein wundervoll anrührendes Leinwandmärchen über wider alle Kulturklischees starke, selbstbewusste Frauen und über die kulturübergreifend essentiellen Dinge des Lebens: Liebe, Freundschaft und Verantwortung. Der Film feierte seine Weltpremiere im Rahmen der Quinzaine des Réalisateurs in Cannes und avancierte dort sofort zu einem der großen Publikumslieblinge. Ausgezeichnet mit dem Publikumspreis auf dem Filmfestival in San Sebastian.
Do, 3.4. - Mi, 23.4.

Holunderblüte
Volker Koepp. Kamera Thorsten Plenert. D 2007. 89 Min., OmU
Mit einem Zitat aus einem Andersen-Märchen beginnt der Film seine Reise in das Land der Kindheit, jenen magischen Ort, an dem noch alles vorstellbar und denkbar ist, wo Sehnsüchte und Wunschbilder gleichberechtigt zur sozialen Wirklichkeit sind. Holunderblüte erzählt aus dem Leben von Kindern im Kaliningrader Gebiet, der russischen Exklave, die vor dem Zweiten Weltkrieg zum nördlichen Ostpreußen gehörte. Seit Beginn der 90er Jahre beschreibt Volker Koepp Geschichte und Gegenwart dieser Region, dokumentiert die politischen und sozialen Veränderungen, die Verelendung der Menschen nach dem Zusammenbruch der landwirtschaftlichen Strukturen, die Entvölkerung der Dörfer und Zersplitterung der Familien – aber er zeigt auch eine Landschaft, die für Kinder ein riesiger Abenteuerspielplatz ist. Sie erzählen in diesem Film von ihrem Leben, ihren Wünschen und Träumen. Kinder, die häufig ohne die Eltern aufwachsen, die die Verantwortung für sich und ihre Geschwister übernehmen, die von Alkoholismus und Gewalt ebenso selbstverständlich erzählen wie von Freundschaft und Liebe. Kinder, die sich die Natur spielerisch und kreativ aneignen, die mit Lebenslust und Witz eine kindliche Gegenwelt entwerfen, in der ihre Hoffnungen und Sehnsüchte aufgehoben sind. Der Film begleitet die Kinder des Kaliningrader Gebiets ein Jahr lang durch den Kreislauf der Jahreszeiten und bleibt dabei konsequent in ihrer Perspektive. – Am 10. April zu Gast: Volker Koepp.
Do, 10.4. - So, 13.4.

Sieben Mulden und eine Leiche
Thomas Haemmerli. Schweiz 2007. 84 Min. Mit Thomas und Erik Haemmerli
An seinem 40. Geburtstag erfährt der Schweizer TV- und Zeitungsjournalist Thomas Haemmerli vom Tod seiner Mutter Bruna, geb. Brünhilde Hortense Meurer von Infeld. Dem ersten Schock folgt der zweite, als Thomas und sein Bruder Erik die Wohnung der alten Dame betreten: Die Wohnung ist komplett vermüllt, Berge von Krempel und Papieren, Büchern und Gerätschaften, aber auch wichtigen (bis ins 17. Jahrhundert zurückreichenden) Dokumenten, Fotos, Filmen und sonstigen Hinterlassenschaften machen die Zimmer kaum betretbar. Was folgt, ist eine der furiosesten Aufräumaktionen in der Geschichte des Familienfilms. Einen Monat lang räumen die Brüder den Nachlass ihrer Mutter auf (wozu sie sieben Mulden = Container benötigen) und legen unter all dem Müll ihre eigene Familiengeschichte frei. Aus alten Super-8-Aufnahmen entsteht eine kuriose Familiensaga, in der Baronessen und Grafen, Schürzenjäger und Festnudeln sowie der junge Kofi Annan eine Rolle spielen. Schonungsloser als sie es sich vielleicht gewünscht hätte, erzählt Haemmerli die Lebensgeschichte seiner Mutter und beantwortet damit die Frage, was die Eltern den Kindern, vor allem wenn sie Filmemacher sind, hinterlassen sollten, auf eine sehr humorvolle und ironische Weise – nämlich besser nichts. „Der Film ist pietätfrei, schamlos und indiskret. Politisch korrekt sind die Haemmerlis höchstens aus Versehen. Es ist ein böser, manchmal rasend komischer Film.“ (3sat) – am 20. April zu Gast: Thomas Haemmerli.
Do, 17.4. - Mi, 23.4.

Tanz mit der Zeit
Trevor Peters. D 2007. Kamera Niels Bolbrinker. 103 Min.
Die Karrieren im klassischen Ballett enden früh, spätestens Mitte 30. Doch vier ehemalige professionelle Tänzerinnen und Tänzer, die mittlerweile alle auf die 80 zustreben, haben die Aufforderung der Choreographin Heike Hennig zu einem erneuten Tanz angenommen und sind 2005 auf die Bühne Leipzig zurückgekehrt, wo sie einst führende Mitglieder des Ensembles waren. Sie tanzen ihre Lebensgeschichten, die der Film abseits der Bühne nachzeichnet und sie uns als lebhafte Persönlichkeiten näher bringt. „Die Zuschauer werden mit der Körperlichkeit von älteren Menschen auf eine Weise konfrontiert, die für die meisten völlig überraschend sein wird. Die Bilder, die wir im Film sehen, laufen unserer gewöhnlichen Vorstellung von „alt“ als zunehmender Einschränkung und Zerbrechlichkeit entgegen. Nichts an Ursula, Christa, Siegfried und Horst ist alt, außer ihr Alter.“ (Volker Koepp)
Do, 24.4. - Di, 29.4.

Der Fliegende Händler
Eric Guirado. F 2007. dt. Fass. 96 Min. Mit Nicolas Cazalé, Clotilde Hesme
Antoines Vater liegt nach einem Herzinfarkt im Krankenhaus. Sein rollender Tante-Emma-Laden, die einzige Einkaufsmöglichkeit in den abgelegenen Dörfern der Umgebung, wird schmerzlich vermisst. Auf Bitten seiner Mutter und aus Geldnot kehrt Antoine widerwillig nach Hause zurück und übernimmt das Steuer. Begleitet wird er von seiner besten Freundin Claire, die schnell Gefallen an der wunderbaren Umgebung und dem ländlichen Leben findet. Ihrem Charme und ihrer kindlichen Freude an der Natur erliegen nicht nur die kauzigen Dorfbewohner und die eigensinnigen Kunden des Vaters. Auch Antoine findet durch sie das Land seiner Kindheit wieder und in Claire vielleicht auch die Liebe ... „Der Anblick einer noch ursprünglichen hügeligen südfranzösischen Landschaft, die Fahrt über einsame schmale Bergstraßen, der Verkaufsstopp in verlassenen, in ihrer Idylle aber unübertroffenen Dörfern rufen unweigerlich gewisse Urlaubsgefühle wach. Trotzdem beschönigt Regisseur Eric Guirado dieses Landleben nicht, sondern thematisiert das Thema Landflucht ebenso wie er von den Veränderungen spricht, die sich durch den Wandel der Zeit und ergeben. Insbesondere mit seinem Blick auf seine eigenwilligen ländlichen Charakterköpfe – ob unter den oft bereits sehr senilen Kunden oder in der zersplitterten Familie des Kolonialwarenhändlers – gelingt es der Komödie, einen ehrlichen, vor allem aber treffenden Blick auf das Leben im provinziellen Frankreich zu werfen.“ (programmkino.de)
Ab Do, 24.4.

FilmArchitektur – mit Architekten- und Ingenieurkammer SH und Muthesius Kunsthochschule

Rem Koolhaas – A Kind of Architect
Markus Heidingsfelder, Min Tesch. D 2005. 97 Min. Teilweise OmU. Mit Rem Koolhaas, Dirk Baecker u.v.a.
Kaum ein Architekt hat in den letzten Jahren außerhalb der Architektur-szene für so viel Aufsehen gesorgt wie Rem Koolhaas. Dem Holländer (* 1944) ging es nie um das einzelne „masterpiece“, sondern stets darum, zu provozieren und Spannung zu erzeugen. Damit korrespondiert, dass Rem Koolhaas über den Umweg des Journalismus, des Drehbuchschreibens und der Manifest-Literatur zur Architektur gelangt: Seine Entwürfe und Architekturen sind Träger komplexer Ideengebäude, die immer über ihren konkreten Gebrauchswert hinausweisen – als Collagen und Labyrinthe sind sie stets mehr als die Summe ihrer Teile. Die Seattle Library, die Casa da Música in Porto, die Niederländische Botschaft in Berlin oder die gefalteten, aneinander gelehnten Türme des in Entstehung begriffenen Central Chinese Television Headquarters sind dafür eindrucksvolle Beispiele. Die Bedeutung und das internationale Renommee des „Architekturdenkers“ (Der Spiegel) bezeugen eine Professur an der Harvard-Universität und die Verleihung des Pritzker-Preises im Jahr 2000. Die Jury würdigte Koolhaas als „Visionär und Ausführer, Philosoph und Pragmatiker, Theoretiker und Prophet“.
Mo, 17.3. + Mi, 19.3.

Kabale und Liebe
Leander Haußmann. D/A 2005. 110 Min. Mit August Diehl, Götz George
Die Handlung ist bekannt (wer hat sie nicht in Reclams Heftchen gelesen): Ferdinand von Walter verliebt sich über Standesgrenzen hinweg in die Tochter des bürgerlichen Geigenbauers Miller und erregt damit den Unwillen seines Vaters, des mächtigen Präsidenten. Der lässt eine Intrige einfädeln… Diese im Schiller-Jahr 2005 vom ZDF in Auftrag gegebene Verfilmung des späten Sturm-und-Drang-Dramas – der zehnten insgesamt seit frühesten Stummfilmtagen – ist ein filmisches Kleinod: Mit ihrer hervorragenden Besetzung, in der Leichtigkeit im Umgang mit dem Text und nicht zuletzt in der ausgezeichneten Ausstattung, die der deutsche Filmarchitekt Prof. Lothar Holler besorgte, weist sie weit über herkömmliche Fernsehstandards hinaus. Holler, vielleicht am bekanntesten durch den Bau der „Sonnenallee“, die er 1998 für den gleichnamigen Film in Babelsberg errichtete und die seitdem als so genannte „Berliner Straße“ in vielen deutschen und internationalen Großproduktionen verwendet wird (z.B. Der Pianist, Rosenstraße, Walküre), fand seine Motive durchweg an Originalschauplätzen in Niederösterreich und Tschechien; durch seine sensible Orchestrierung der vorgefundenen Räume mit Archivregalen, Paravents und Stilmöbel verleiht er dem Film einen aufregenden Look, der historische und bühnenhaft-stilisierte Tonarten zusammenführt. – Lothar Holler ist zu Gast und wird nach einer kurzen Einführung und der Filmvorstellung mit dem Publikum über seine Arbeit sprechen.
Mo, 28.4., 20.30 Uhr

Shocks Italian Style – Träume aus Fleisch und Blut

Verbotenes Lichtspiel – eine Gruppe Kieler Filminteressierter – veranstaltet im März eine kleine Reihe mit italienischen Genrefilmen der grausamen Art: An wechselnden Orten zeigt man fünf Horror- und Slasher-Movies aus den Jahren 1960 bis 1979. Das KoKi macht mit und zeigt zum Abschluss der Reihe

Woodoo – Die Schreckensinsel der Zombies
Lucio Fulci. I 1979. ca. 98 Min. dt. Fassung
In ihren ersten Filmauftritten in den 30er und 40er Jahren waren Zombies eher bemitleidenswürdige Kreaturen – traurig-schweigende Nachtwandler zwischen Leben und Tod. Nach seinem unerwartet grausigen Night of the Living Dead (USA 1968) schickte George A. Romero dann 1978 in Dawn of the Dead Zombies neuer Prägung ins Rennen: grauenvoll verstümmelte Leichen mit nicht enden wollendem Appetit auf frisches Menschenfleisch. Nur ein Jahr später nimmt uns Lucio Fulci mit in die Karibik – also dorthin, wo der Ursprung der Zombie-Mythen liegt. Die New Yorkerin Anne Bowles, der Reporter Peter West und ein weiteres Pärchen suchen hier nach Informationen über Annes Vater, dessen letzte Lebenszeichen von der Insel Matool kamen. Den Vater finden sie nicht, dafür aber zahllose auferstandene Tote: Opfer einer unbekannten Epidemie (oder eines Zaubers?). Irgendwann kann Anne die Insel glücklich verlassen, aber die Rückkehr nach New York gibt wenig Anlass zur Freude... Romeros Vorbild initiierte eine ganze Reihe italienischer Rip-Offs, unter denen Fulcis Film zu den stringentesten zählt. Einige spektakuläre Splatter-Sequenzen erfordern mit ihrer quälenden Genauigkeit auch heute noch starke Nerven. – Mit Einführung.
Sa, 29.3.

Hermann Sudermann

Sunrise / Sonnenaufgang – Ein Lied von zwei Menschen
Friedrich Wilhelm Murnau. USA 1927. B: Carl Mayer nach Hermann Sudermanns Novelle „Reise nach Tilsit“ aus den Litauischen Erzzählungen. Mit George O’Brian, Janet Gaynor, Margaret Livingston
Ein schwerer Konflikt im Leben eines bäuerlichen Paares. Der (wie alle Figuren namenlose) Mann wird von einer Urlauberin aus der Großstadt verführt und mit Aussicht auf ein besseres Leben in der Stadt dazu überredet, seine Frau auf einer Bootsfahrt umzubringen. Im entscheidenden Moment bringt er die Tat jedoch nicht übers Herz, sondern setzt den Bootsausflug mit seiner Frau in die Stadt fort, wo er seine Liebe zu ihr erneut entdeckt. Seiner Liebe nun endgültig sicher, gerät er auf der Rückfahrt in einen schweren Sturm... 1926 folgte Murnau dem Ruf Hollywoods und unterzeichnete einen Vierjahresvertrag bei Fox. Sunrise, sein erster amerikanischer Film, wurde von Kritikern und der Academy gleichermaßen umjubelt und auf der Oscarverleihung (der ersten überhaupt) mit drei Statuetten ausgezeichnet (Rochus Gliese allerdings, der Oscar-nominierte Schöpfer der grandiosen künstlichen Stadt, die mit Straßenbahn, Hochbahn und neonfunkelnden Straßenzügen auf dem Freigelände der Fox errichtet wurde, ging leer aus). An der Kinokasse aber floppte der Film, und nach weiteren künstlerischen Querelen und Auseinandersetzungen beendete Murnau seinen Vertrag. – Die erzählte Geschichte basiert auf Sudermanns Novelle „Reise nach Tilsit“, die Carl Mayer für den Film stark überarbeitete. Vor allem entschärfte er den Schluss, indem er beide Eheleute das Filmende er- und überleben ließ. Nicht unerheblich dürfte auch sein, dass die Handlung nicht wie in der literarischen Vorlage in der hellen litauischen Landschaft am breiten Fluss situiert ist, sondern – ganz Hollywood – in einem idealisierten, lieblichen Seengebiet.
So, 30.3.

Die Reise nach Tilsit
Veit Harlan. D 1939. Mit Frits van Dongen, Kristina Söderbaum
Der Großfischer Endrik Settegast betrügt seine Frau Elske mit Madlyn, einer eleganten polnischen Frau, die als Sommergast bei ihnen weilt. Gemeinsam mit seiner Geliebten fasst er den Plan, sich seiner Ehefrau zu entledigen… Nach der ersten Adaption der Sudermann-Novelle durch Murnau (Sunrise, USA 1927) besorgte Veit Harlan, der Vorzeigeregisseur der Nationalsozialisten, das erste Tonfilmremake. Auch bei ihm ist aus der verführenden Magd des Sudermannschen Textes eine Großstädterin geworden, die sich in den Naturburschen verliebt, und auch bei ihm gibt es ein Happy End. Symptomatisch für die Zeit des begonnenen Weltkrieges ist Abkehr des Kinos von Gegenwartsstoffen und das Ausweichen in räumlich und zeitlich entlegene Sujets – bereits hierin kündigen sich propagandistische Tendenzen an, in der Negativzeichnung der polnischen Madlyn finden sich weitere. Gedreht wurde der Film an stimmungsvollen Originalschauplätzen, die die Lichtheit der Textvorlage widerspiegeln – so etwa im Fischerdorf Karkeln am Kurischen Haff, auf der Kurischen Nehrung, in Tilsit und an der Memelmündung.
Mi, 2.4., 20.30 Uhr

Cinarchea 2008 – 8. Internationales Archäologie-Film-Festival

Babel und Babylon. Biblische und antike Stoffe im frühen Historienfilm
Antike und biblische Stoffe waren in den ersten Tagen des neuen Mediums in allen filmproduzierenden Ländern beliebt. Einerseits war das Publikum über nationale Grenzen hinweg mit den Stoffen vertraut, andererseits eigneten sich die Inhalte und deren literarische Erzählweise hervorragend für eine spektakuläre, den Zuschauer in ihre Bann ziehende Visualisierung. Freilich mussten die Erzählungen und Mythen für die frühesten Filmproduktionen extrem verkürzt werden, so dass nur die dramatischen Höhepunkte für die Filmversion ausgewählt wurden. Aus der großen Masse an frühesten Historienfilmen (von denen allerdings kaum noch Kopien existieren), ist im Rahmen der Cinarchea 2008 ein Programm altorientalischer und alttestamentarischer Motive und Sujets zusammengestellt worden; wir zeigen u.a.: Samson et Dalila (1902 und 1908), Daniel dans la fosse aux lions (1905), Le festin de Balthasar (1905 und 1910), La reine de Saba (1913) und La regina di Ninive (1911). – Thematisch etwas anders ausgerichtet ist das Programm 101 Years ago – A Show a bit too naughty: eine Kompilation früher erotischer Filme aus den Jahren zwischen 1906 bis 1911. Die Filmprogramme werden musikalisch live Begleitet von Dr. Werner Loll (Klavier) und Uwe Schümann (Violine), durch das Programm führt Festivalleiter Dr. Kurt Denzer.
So, 27.4., 18.30 Uhr

Premieren mit Gästen

Von Kiel bis hinter Warschau
Moses Merkle, Elisabeth Saggau. D 2008. 58 Min. OmU. Mit Phil Conyngham
Für seine Fans in Europa, Nordamerika und Ostasien ist der Australier Phil Conyngham der beste Didgeridoo-Spieler der Welt. Als echter Crossover- Musiker entlockt er seinem Instrument nicht nur traditionelle Stammesklänge. Er sieht sich selbst als Rockmusiker, komponiert Technobeats ebenso wie halluzinatorischen „Noise“. Seine internationalen Konzerterfolge schlagen sich jedoch nicht immer auf seinem Bankkonto nieder. Die Einladung zu einem Musikwettbewerb in Polen erreicht ihn zu einem denkbar ungünstigen Moment. Phil möchte unbedingt daran teilnehmen. Ohne Geld für Benzin, mit einem 20 Jahre alten, rostzerfressenen Bus, gilt es, durch winterliche Kälte und Dunkelheit von Kiel bis zu einem kleinen Ort irgendwo hinter Warschau zu reisen. Mit Straßenmusik versucht Phil in Kiel, Berlin und Warschau, sich das Geld für die Tour zu verdienen. Mit blutenden Lippen und gepolstert mit sechs Textilschichten trotzt Phil den eisigen Minustemperaturen. Auf glitzernden und düsteren Großstadtstraßen und in tiefster Provinz erlebt Phil gemeinsam mit dem Kieler Filmteam Moses Merkle und Elisabeth Saggau skurrile Abenteuer. Wie nach Drehbuch begegnen ihm archetypische Warner, Widersacher, Hinderer und Helfer: Das wahre Leben wie im Spielfilm. Hinter Warschau lernt er die polnische Variante des Didgeridoos, die Ligawa, und andere traditionelle Hirteninstrumente kennen – und fürchten. Hier steht er einer starken Konkurrenz osteuropäischer Musiker gegenüber... Ganz am Ende fließt der Wodka, und es wird getanzt! Na zdrowie!
Mi, 16.4., 20.30 Uhr

dezember
Tobias Rahm. D 2007. 30 Min. Mit Martin Ramm, Sandra Ancona. Musik Nikolaus Herdieckerhof
Inspiriert von Anthony de Mellos „Der rote Faden“ erzählt dezember vordergründig die Geschichte eines Fotografen auf der Suche nach dem perfekten Bild. In seinem Haus hält er eine junge Frau gefangen, die sich ihm ebenso verschließt wie das angestrebte Motiv. In langen Einstellungen, streng kadrierten Bildern enger Wohnräume und weiter nordischer Landschaft illlustriert Rahm den „unbändigen Wunschgedanken an eine traumhafte Realität und das Erwachen aus diesem Traum.“ Vorher laufen zwei weitere Kurzfilme von Tobias Rahm.
Sa, 19.4., 19 Uhr

Mit CAU und Muthesius Kunsthochschule – Filmgeschichte Teil II

M – Eine Stadt sucht einen Mörder
Fritz Lang. D 1931. 117 Min. Mit Peter Lorre, Gustaf Gründgens
Ein Kindermörder geht um, die Polizei und die Untergrundorganisation „Ringverein“ machen unabhängig voneinander Jagd auf ihn, damit wieder Ruhe in der Stadt einkehre. – Das ist die Krankheit der modernen Großstadt: In den Schlupflöchern der Anonymität gedeiht der Psychopath, vielleicht direkt in der Wohnung nebenan. Im Kräftechaos der Weimarer Republik wird der Ruf nach einem starken Arm laut, den Gustaf Gründgens – drei Jahre vor der Machergreifung durch die Nationalsozialisten – eindrucksvoll und schauerlich vorzeigt. Fritz Lang: „Die Idee, daß die Verbrecherwelt, daß Berlins Unterwelt sich auf eigene Faust auf die Suche nach dem unbekannten Mörder begibt, um dadurch die gesteigerte Tätigkeit der Polizei loszuwerden, entstammt dem Tatsachenbereich einer Zeitung und mutete mich als Motiv stofflich und filmisch so stark an, daß ich ständig in der Angst schwebte, ein anderer könnte mir die Auswertung dieser Idee wegnehmen“ (Filmwoche, 1931). – Einführung: Prof. Dr. Schmitz, Prof. Dr. Wulff.
Mo, 21.4., 20.30 Uhr

Wiederentdeckt – ein Klassiker des Neuen Deutschen Films

Fegefeuer
Harro Senft. BRD 1970. 87 Min. Musik: Supertramp. Mit Jost Vobeck
Daniel wird zufällig Zeuge eines Menschenraubes auf offener Straße. Nachdem seine Anzeige bei der Polizei nicht die von ihm erhoffte Beachtung findet, sucht er selbst nach einer Aufklärung und verstrickt sich dabei immer mehr in Zweifel gegenüber seiner Umwelt und seinem eigenen Handeln. Durch sein Engagement sieht er sich zunehmend der Gewalt ausgesetzt und tötet schließlich einen Menschen. Während des Verhörs durch den Staatsanwalt durchlebt er das Fegefeuer seiner Bewusstwerdung. Fegefeuer, zwischen 1969 und 1970 gedreht, repräsentierte in den folgenden Jahren den Neuen Deutschen Film auf Deutschen Filmwochen in über vierzig Ländern und auf vier Internationalen Filmfestspielen. In die heimischen Kinos gelangte er hingegen kaum. Das KoKi zeigt dieses übersehene Kleinod von DVD. – Bemerkenswert ist der Film u.a. auch durch die Musik der britischen Progressive-Rock-Formation Supertramp, die später durch ihre Alben Crime of the Century und Breakfast in America zu Pop-Giganten wurde und heute einer – möglicherweise klein gewordenen – Gemeinde immer noch als die beste Band aller Zeiten gilt. Für jene Exzentriker mit dem guten Geschmack zeigen wir im Vorprogramm eine filmische Überraschung, ebenfalls aus den bewährten Händen Harro Senfts, der Ende der 60er Jahre persönlich mit den Musikern in Kontakt stand.
Mi, 9.4., 20.30 Uhr

Mit der Kulturellen Filmförderung Schleswig-Holstein

Du bist mein Afrika. Eine schwarz-weiße Liebesgeschichte
Helmut Schulzeck. D 2007. 79 Min.
Die Dokumentation einer sehr persönlichen Geschichte: Im Dezember 2003 traf Filmemacher Helmut Schulzeck in Kapstadt die Kenianerin Wangechi Njenga, seine zukünftige Frau. Sie heiraten und reisten 2006 zu Wagechis Familie, die von diesem Schritt noch nicht weiß… Im Umfeld der Familienzusammenführung schildert der Film intime Eindrücke von einem kenianischen Familienleben auf dem Lande und – nicht zuletzt – von kenianischen Vorurteilen gegenüber Europäern. Denn Helmut gilt den Menschen hier als reicher Weißer ...
Di, 15.4. + Mi, 30.4.

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