11. Filmfest Schleswig-Holstein – Augenweide

Der Hip-Hop der Underdogs

„Preußisch Gangstar“ (Bartosz Werner, Irma-Kinga Stelmach, D 2007)

Zu Beginn des Films sieht man Kinderfotos der drei Hauptpersonen und hört sie im Off über Glück und ihre Ziele im Leben diskutieren. Wie sich bald herausstellt, sind die Wünsche von Nico (Robert Ohde), Olli (Mario Knofe) und Tino (Benjamin Succow) in Werner Bartosz’ und Irma-Kinga Stelmachs Spielfilm „Preußisch Gangstar“ für sie unrealistisch hoch gesteckt. Und von Glück keine Spur, denn man bekommt schon bald mit, dass sich die drei ungewollt und doch nicht ohne eigene Verantwortung auf einer Einbahnstraße für Verlierer abstrampeln. So scheinbar rau die drei „Gangstars“ sich auch geben (nur Masken ihrer Hilflosigkeit), so gnadenlos werden sie zu Opfern ihrer sozialen Befindlichkeiten und ihres eigenen, von ihnen nicht beherrschten Tuns. Man mag die eigentliche Ursache auf das Milieu, ihre Eltern oder die mangelnde Kommunikation zwischen den Generationen schieben oder auf alles drei, eine Lösung scheint nicht in Sicht.

Die Geschichte, die von Regie und Kamera in einer drastischen Unmittelbarkeit geschickt mit quasidokumentarischer Bildästhetik in Szene gesetzt wird, spielt in der brandenburgischen Provinz, in Bukow (der so genannten Perle der märkischen Schweiz, 50 km nordöstlich von Berlin gelegen). Die ambitionierten (Selbst-) Darsteller der drei jungen Männer vermitteln glaubhaft deren Existenz. Perspektivlosigkeit und Langeweile bestimmen ihren oft fast öden Alltag. Nico träumt von einer Karriere als Rapper. Seine selbstverfassten Texte, im typischen Hip-Hop-Jargon seiner Generation abgeschnurrt, charakterisieren in ihrer banalen Underdogmentalität wie selbstverständlich das graue, tapfere Stehaufmännchengefühl seines Lebens.

Nico bei seinen Großeltern

Sein Freund Olli möchte am liebsten einen Tanzclub eröffnen. Ein passendes Objekt, einen geräumigen, alten Bunker, hat er schon gefunden. Das ist aber auch alles. Der Rest wird wohl für immer eine Fantasie aus Wolkenkuckucksheim bleiben. Und so reicht es für ihn gerade mal zu einem Aushilfsjob in einer Diskothek. Tino, der dritte im Bunde, wird wohl seinen Hauptschulabschluss kaum schaffen. Stattdessen „brettert“ er mit seiner MotorCross-Maschine durchs Gelände, trainiert Kickboxen und fabuliert davon, Stuntman zu werden.

Tino beim MotoCross

Kaum überraschen kann es auch, dass zwei von ihnen fast mit einem Bein im Gefängnis stehen. So dealt Tino gelegentlich trotz einer Bewährungsstrafe und neigt bei Provokationen zu Gewalttätigkeit genauso wie sein Freund Nico. Auch das Zuhause der drei bietet ihnen wenig Halt. Tinos gutbürgerliche Eltern stehen seinem schulischen Misserfolg hilflos gegenüber; Nico lebt als Scheidungskind bei seinen Großeltern, die er vorerst erfolgreich über seine nicht vorhandenen Bemühungen, Arbeit zu finden, täuschen kann; und Ollis allein erziehende Mutter versucht dessen Freundin vom Weggang nach Westdeutschland abzubringen, weil sie genau weiß, dass sie ihren Sohn kaum mehr erreicht und auf den guten Einfluss der Freundin hofft.

Der Film erzählt unaufgeregt und eher beiläufig seine Geschichte. Alltag eben: Aufstehen, Frühstück, Schulleben, Konflikte mit den Eltern oder dem Arbeitsamt, Aushilfsjobberei. Alles eher grau, wie auch das winterliche Wetter in der Kleinstadt und ihrer Umgebung. Die kleinen Höhepunkte der drei Protagonisten spielen sich bei ihren Feten- und Discoabenden ab. Man spielt Tischfußball, Billard, tanzt oder hängt einfach nur rum. Dort ist man unter Gleichgesinnten, fühlt sich verstanden und kann sich wie selbstverständlich „produzieren“, wie Nico, der sich in Markenklamotten mit den Songs seiner ersten in Kleinauflage hergestellten CD als Ossie-Hip-Hop-Barde gibt.

Das Ende lässt dem Zuschauer wenig Optimismus für die Figuren des Films, die sich lakonisch in ihr Schicksal zu fügen scheinen. Hip-Hop, steht das hier für eine verlorene Generation ohne Ausbildung und arbeitslos, die sich nur noch mit Problemverdrängung und Maulheldentum über die Runden zu bringen weiß? (Helmut Schulzeck)

„Preußisch Gangstar“, D 2007, 85 Min., 35mm, Buch und Regie: Bartosz Werner, Irma-Kinga Stelmach, Kamera: Ben Pohl, Andreas Bergmann, Schnitt: Marc Hofmeister. Gefördert von der MSH und dem Filmbüro Bremen. Der Film läuft im Abschlussprogramm des Filmfest Schleswig-Holstein Augenweide am Sonntag, den 13. Mai 2007, um 20 Uhr. Infos im Web unter: www.preussisch-gangstar.de.

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