49. Nordische Filmtage Lübeck

Ikone und Belzebub

„Günter Grass – Die Blechtrommelstory“ (D 2007, Wilfried Hauke)

Günter Grass wird 80, seine „Blechtrommel“, für welchen Roman er 1999 den Nobelpreis erhielt, fast schon 50, genauer 48. Wilfried Hauke hat bei Grass nachgefragt, wie der Roman und sein Autor entstanden.

Grass im Pariser „Exil“, in einem Keller, wo man mit verwerflichen und verworfenen Manuskriptseiten auch den Ofen füttern kann. Grass, an sich bildender Künstler, an der Schreibmaschine kaschubischer Märchen der eigenen Großmutter. Der Autor als Menetekel und Orakel seiner selbst. Wilfried Hauke hat weniger nachgefragt als zum Geburtstagsporträt die Legenden bedient. Allein, der Autor streut manchen Sand ins Getriebe seiner Verdenkmalung. Die medienwirksame SS-Geschichte ruht schließlich wie bleiern auf seiner Biografie, der „Die Häutung der Zwiebel“ nur eine weitere Schale hinzufügte.

Grass ist ein Großer, ganz gewiss, auch meist größer als seine filmischen Beobachter. So gelingt Hauke nicht viel mehr als ein Porträt, das man eh schon gekannt hatte. Der Dichter auf seinen Spuren, die er längst schon erforschte, auf Spuren, die er besser als für eine Doku in Roman verpackte. Wo Grass und sein alter ego Oskar Mazerath trommelten, braucht es des Blechs weiterer Enthüllungen eigentlich nicht.

Grass auf Spurensuche seiner selbst in Paris (Foto: NFL)

Also die grundsätzliche Frage, wozu dieser Film? Nur wegen eines lebensalternden Jubiläums, weil Grass einst Belzebub des Literaturbetriebs war und heute seine nachholende Ikone ist? Für Hauke mag das zumindest Auftrag gewesen sein, für den Zuschauer bringt es nichts Neues – außer der Erkenntnis, dass Kunst immer dort entsteht, wo keiner dran glaubt, nicht mal ihr Schöpfer. Die „Blechtrommelstory“ ist eine von vielen solcher Erzählungen, wie Weltliteratur aus dem Nichts entsteht.

Wilfried Hauke trommelt gleichwohl auf dem kargen Blech des Bio-Pics. Oft klingt’s da so hohl wie vom Waschbrett, auf dem Grass sich seinerzeit in Düsseldorf das karge Gehalt manches nächtlichen Jazz-Gigs verdiente. Ein Film, der nicht mehr erzählt als der Porträtierte. Schön anzusehen ist die Werkschau des Nobelpreisträgers dennoch. Weil dem Schönen, Wahren und Guten auch kein nacheilender Dokumentarist wirklich Leid antun kann. (jm)

„Günter Grass – Die Blechtrommelstory“, D 2007, Buch und Regie: Wilfried Hauke, Kamera: Frank Bergfeldt, Ralf Biehler, Ivan Minov, Schnitt: Ulrike Jochmann, Produktion: dmfilm und tv produktion im Auftrag des NDR.

Der Film wird am Sonntag, den 4. November, um 16.45 Uhr im Filmforum Schleswig-Holstein auf den Nordischen Filmtagen in Lübeck gezeigt.

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