49. Nordische Filmtage Lübeck

49. Nordische Filmtage Lübeck – Programmüberblick

Vom 31. Oktober bis zum 4. November 2007 finden in Lübeck die 49. Nordischen Filmtage statt. Rund 120 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme aus den skandinavischen und baltischen Ländern sowie Schleswig-Holstein werden präsentiert. Höhepunkt des Rahmenprogramms ist die Filmpreisnacht am Samstag, den 3. November in der Lübecker Musik- und Kongreßhalle, in deren Rahmen die Preise der Nordischen Filmtage Lübeck sowie der Norddeutsche Filmpreis verliehen werden.

Spielfilmprogramm: Die Vielfalt des nordischen Kinos

Rabenschwarze Komödien, berührende Liebesfilme, intensive Psychodramen: Die Vielfalt des diesjährigen Spielfilmwettbewerbs auf den Nordischen Filmtagen Lübeck spiegelt den Reichtum des Kinos aus den nordischen und baltischen Ländern wider. Im 49. Jahr seines Bestehens zeigt das größte nordische Filmfestival außerhalb Skandinaviens die neuesten Produktionen renommierter Regisseure, die häufig bereits in Lübeck zu Gast waren oder mit NFL-Preisen ausgezeichnet wurden: So präsentiert der mit „Elling“ bekannt gewordene Norweger Petter Næss seine auf dem Bestseller von Erlend Loe basierende Komödie „Gekrallt“, in der ein junger Mann auf äußerst amüsante Weise mit der vereinnahmenden Liebe seiner Freundin zu kämpfen hat. „Gekrallt“ ist in diesem Jahr der norwegische Oscar-Beitrag und zugleich der Eröffnungsfilm der Nordischen Filmtage Lübeck.

Aus Schweden kommt „You, the Living“, das neue Meisterwerk von Roy Andersson, der zuletzt mit „Songs from the Second Floor“ einen weltweiten Erfolg erzielte. „You, the Living“ verwebt eine Reihe merkwürdiger Begebenheiten in einer schwedischen Kleinstadt zu einer vielstimmigen Filmerzählung. Der Däne Åke Sandgren, der 2001 für „Ein Richtiger Mensch“ mit dem NDR-Förderpreis ausgezeichnet wurde, ist mit seinem intensiven Psychodrama „Wen man liebt“ vertreten. Darin geht es um die Abhängigkeiten in einer von Gewalt geprägten Beziehung. Die berührende Liebesgeschichte zwischen einer Epileptikerin und einem romantischen Uni-Dozenten erzählt „Das Wolfsjahr“ des Finnen Olli Saarela, der unter anderem vor sechs Jahren mit „Rölli und der Geist der Wälder“ auf den Filmtagen vertreten war.

Auch Klaus Härö, der 2005 für „Beste Mutter“ gleich zweimal in Lübeck ausgezeichnet wurde, zeigt seinen neuen Film „Der neue Mensch“. Das auf wahren Ereignissen basierende Drama beschäftigt sich mit dem in Schweden lange Zeit tabuisierten Thema der Zwangssterilisationen bei Heimkindern. Die dänische Regisseurin Lone Scherfig, deren Dogma-Film „Italienisch für Anfänger“ vor sieben Jahren zum weltweiten Arthaus-Erfolg avancierte, legt mit „Heimweh“ eine in der dänischen Provinz angesiedelte Gesellschaftskomödie vor, die mit einer ganzen Riege bekannter Stars besetzt ist. Aus Litauen kommt Algimantas Puipas („Forest of the Gods“, NFL 2005) Psycho-Drama „Sündengeflüster“ über das schwierige Verhältnis zwischen einer Psychotherapeutin und ihrer Patientin, die ein Verhältnis mit einem Priester hat.

Eine kleine Reihe von Filmen stellt Lars von Trier, den großen dänischen Auteur, in den Mittelpunkt: So wird nicht nur Lars von Triers jüngstes Werk, die burleske Komödie „The Boss of it All“ , präsentiert. Auch Jacob Thuesens „Erik Nietzsche – Die frühen Jahre“, der Lars von Triers Anfänge an der dänischen Filmhochschule zu einer Satire verarbeitet, ist zu sehen. Darüber hinaus läuft der Kurzfilm „Occupations“, Lars von Triers eigenwilliger Beitrag zum diesjährigen 60. Geburtstag der Filmfestspiele von Cannes.

Dokumentationen: Die vielen Gesichter der Wirklichkeit

Von unterschiedlichen Annäherungen an die Wirklichkeit zeugt das diesjährige Dokumentarfilm-Programm der Nordischen Filmtage Lübeck: Unverschämt aberwitzig geht die dänische „Mockumentary“ „AFR“ von Morten Hartz Kaplers vor: Archivmaterial der politischen Landschaft Dänemarks ist mit nachgedrehten Szenen zu einer unerhörten Geschichte über die Ermordung des dänischen Ministerpräsidenten verwoben. Der schwedische Film „Allen geht’s gut“ lehnt sich an die berühmten „Kinder aus Golzow“ von Winfried Junge an: Regisseur Rainer Hartleb hat eine Schulklasse über 34 Jahre in regelmäßigen Abständen mit der Kamera besucht und hält so menschliche Lebensläufe in konzentrierter filmischer Form fest.

Auch deutsche Dokumentarfilmer wenden sich thematisch verstärkt dem Norden zu: So ist im diesjährigen Programm Benedikt Bjarnason mit seinem Diplomfilm von der Filmakademie Ludwigsburg vertreten. In „Wer sind deine Leute?“ begibt sich der Regisseur auf die Suche nach seinen familiären Wurzeln auf Island. Der in Frankfurt am Main geborene Christoph Schuch porträtiert in „Self-Made Paradise“ eine Reihe von Hobby-Künstlern in Finnland.

Eine beobachtende und zugleich analysierende Perspektive nimmt „Das Raucherzimmer“ aus Finnland ein: Regisseur Jukka Kärkkäinen hat Menschen in diversen Raucherzonen über ihre Lebenssituation befragt und schafft somit ein komplexes finnisches Gesellschaftsporträt.

Weitere Höhepunkte sind „Expedition Linné“ (Regie: Folke Rydén) aus Schweden, eine kritische Weltreise auf den Spuren des Naturforschers Carl von Linné, „Mädchen“ von Hanne Myren, eine knallharte Reportage aus dem Alltag norwegischer Schülerinnen, sowie die faszinierende lettische Dokumentation „Mein Mann Andrej Sacharow“ von Inara Kolmane, in der Sacharows Witwe das Leben des sowjetischen Kernphysikers und Friedensnobelpreisträgers Revue passieren lässt.

Großes Kino für die Kleinen

Zu den Höhepunkten des diesjährigen Kinder- und Jugendfilmprogramms zählt das bonbonfarbene Märchen „Es war einmal ein Junge, der eine kleine Schwester mit Flügeln bekam“. Inszeniert wurde es vom dänischen Regie-Duo Michael Wikke und Steen Rasmussen, das bereits 2001 mit „Die fliegende Oma“ auf den Nordischen Filmtagen Lübeck erfolgreich war. Ebenfalls aus Dänemark kommen Christian E. Christiansens „Life Hits“ eine ergreifend lebensechte Schilderung aus dem Alltag rivalisierender Schülerinnen, sowie der neue Film von „Nightwatch“-Regisseur Ole Bornedal „Die Vertretungslehrerin“, eine effektvolle Mischung aus Horror und Science Fiction.

Der finnische Kinderfilm „Das Geheimnis des Wolfs“ von Raimo O. Niemi, in dem ein Mädchen zwei Wolfsjunge vor ihren Jägern rettet, gewinnt seine besondere Atmosphäre durch die intensive Einbeziehung der Natur. „Elling“-Regisseur Petter Næss greift in seinem Jugendfilm „Hoppet“ die Debatte um die Integration von Einwanderern auf: Im Mittelpunkt stehen zwei kurdische Brüder, die als Flüchtlinge nach Schweden gelangen. Aus Norwegen kommt Espen Fyksens bezaubernder Animationsfilm „Elias und die königliche Yacht“.

In Zusammenarbeit mit dem Kinder- und Jugendfilmzentrum in Deutschland präsentieren die Filmtage eine Retrospektive mit Highlights des skandinavischen Kinder- und Jugendfilms wie Lasse Hallströms „Mein Leben als Hund“ (Schweden 1985) und Søren Kragh-Jacobsens „Goldregen“ (Dänemark 1987). Zu Astrid Lindgrens 100-jährigem Geburtstag laufen die deutsch-schwedische Koproduktion „Pippi Langstrumpf“ aus dem Jahr 1968 (Regie: Olle Hellbom) sowie „Neues von uns Kindern aus Bullerbü“ von 1987 (Regie: Lasse Hallström). Lübecker Schulklassen haben am Donnerstag- und Freitag-Vormittag wieder Gelegenheit, ausgewählte Filme zu besuchen. Im Rahmen des Projekts „Junge Journalisten“ werden Jugendliche erste Erfahrungen als Reporter und Filmkritiker sammeln.

Filmforum Schleswig-Holstein: Von Abschieden und den Fragen des Lebens

Das Filmforum Schleswig-Holstein feiert in diesem Jahr sein 20. Jubiläum und wagt sich selbstbewusst an ernste Themen und die großen Fragen des Lebens heran. Inhaltlich wie qualitativ hat sich der Film aus dem „Land zwischen den Meeren“ erneut weiter entwickelt. Ende und Neubeginn, Abschiede und Fluchten spielen sowohl bei Spiel- und Dokumentarfilmen als auch im Kurzfilmprogramm eine zentrale Rolle.

In atemberaubenden Bildern erzählt die deutsch-dänische Koproduktion „Götterdämmerung“ unter der Regie Wilfried Haukes von der Reise eines Mönchs durch die nordischen Länder zur Zeit der Missionierung Skandinaviens. Dabei steht das untergehende Reich von Odin und Thor im Mittelpunkt. Vor der malerischen Kulisse Kapstadts hat Miguel Alexandre das Krimidrama „Der Tod meiner Schwester“ angesiedelt. In der Stadt zwischen den Ozeanen sucht Carolin (Désirée Nosbusch) nach den Hintergründen für den vermeintlichen Unfalltod ihrer geliebten Schwester.

Mehrere Dokumentationen setzen sich ungewohnt offen mit der Erfahrung des Abschiednehmens auseinander. Holger Vogts „Auf dem Weg zu den Engeln“ portraitiert die vorbildliche Arbeit des Kinderhospizes Sternenbrücke in Hamburg, in dem todkranken Kindern ein lebenswertes Leben ermöglicht wird.

Dank intensiver Zusammenarbeit mit der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein erweitert sich die Perspektive des Filmforums zunehmend um Produktionen aus dem benachbarten Bundesland. Wie im Vorjahr werden im Rahmen des Filmforums die für den Norddeutschen Filmpreis nominierten Filme präsentiert.

Ironisch, grotesk, gruselig: So präsentiert sich das Kurzfilmprogramm in diesem Jahr, dessen Niveau nicht zuletzt dank der Kurzfilmpreise der Firmen Comline und Cinegate gesteigert werden konnte. Die Geburt des „Dionysos“ erleben wir dabei ebenso mit wie die Weltpremiere des gesungenen Bildes in „3 Rooosen singt seine Bilder“.

Special: Ingmar Bergman

Im Juli 2007 starb Ingmar Bergman im Alter von 83 Jahren. Zu Ehren des großen schwedischen Regisseurs zeigen die Nordischen Filmtage Lübeck jenen Film, mit dem Bergman erstmals internationale Aufmerksamkeit als neues Regietalent erregte: „Das Lächeln einer Sommernacht“ aus dem Jahr 1955. Die wunderschöne Gesellschaftskomödie wurde damals auf den Internationalen Filmfestspielen von Cannes als bester Film in der Kategorie Komödie ausgezeichnet und gilt bis heute als wichtigste Weichenstellung für Bergmans Karriere. Unbeschwerter als in späteren Filmen schildert Bergman hiermit in Anleihen bei Schnitzler und Strindberg die Irrwege einer Ehe um die Jahrhundertwende und konzentriert sich dabei auf ein Thema, das sein späteres Werk entscheidend prägen sollte: der Mensch zwischen Sinnlichkeit und Askese. In den Hauptrollen sind unter anderem Harriet Andersson, Gunnar Björnstrand und Ulla Jacobsson zu sehen.

Programm in Daten

Mittwoch, 31. Oktober 2007

  • 19.00 Uhr: Eröffnung der 49. Nordischen Filmtage Lübeck mit Bürgermeister Bernd Saxe, Staatssekretär Heinz Maurus und Friedrich-Wilhelm Kramer, NDR-Landesfunkhaus Schleswig-Holstein; musikalische Begleitung durch das Duo Fjarill. Eröffnungsfilm: „Gekrallt / Gone With the Woman“, Norwegen, von Petter Næss
  • 22.00 Uhr, Rathaus, Breite Str. 62: Eröffnungsempfang (Einlass ab 21.30 Uhr)

Donnerstag, 1. November 2007

  • 19.45 Uhr, Kino 7: Kurzfilmnacht des Filmforum Schleswig-Holstein mit Verleihung der Kurzfilmpreise

Samstag, 3. November 2007

  • 18.30 Uhr, Musik- und Kongreßhalle, Willy-Brandt-Allee 10: Filmpreisnacht (nur auf Einladung) mit Verleihung der Spielfilm- und Dokumentarfilmpreise

Sonntag, 4. November 2007

  • 11.00, Kino 3: Verleihung der Kinder- und Jugendfilmpreise. Grußwort von Caroline Schwarz, Beauftragte für Minderheiten und Kultur des Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein. Anschließend: Der Film „Hoppet“ von Petter Næss, Schweden 2007

Preise

  • ComLine-Preis für einen Kurzfilm im Filmforum, dotiert mit Schnittsoftware Avid Xpress Pro HD im Wert von 2.000 Euro sowie CineGate-Preis für einen Kurzfilm aus Schleswig-Holstein, dotiert mit technischen Leistungen im Wert von 5.000 Euro
  • NDR-Filmpreis, dotiert mit 12.500 Euro, für einen nordischen oder baltischen Spielfilm
  • Publikumspreis der Lübecker Nachrichten, dotiert mit 2.500 Euro für einen Spielfilm aus dem Hauptprogramm der Nordischen Filmtage
  • Baltischer Filmpreis für einen nordischen Spielfilm
  • Kirchlicher Filmpreis Interfilm, dotiert mit 2.500 Euro
  • Dokumentarfilmpreis des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB-Region Schleswig-Holstein Ost), dotiert mit 2.500 Euro
  • Kinder- und Jugendfilmpreis der Nordischen Filminstitute
  • Preis der Kinderjury, dotiert mit 2.500 Euro

(nach einer Pressemitteilung der Nordischen Filmtage Lübeck)

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