Finnland kam, wurde gesehen und überzeugte

Finnischer Filmabend im Kieler KoKi

Alle wollten Finnland sehen. Die Kulturelle Filmförderung S.-H., das Kieler KoKi und die schleswig-holsteinische Staatskanzlei hatten mit freundlicher Unterstützung des finnischen Generalkonsulats in Hamburg am 12. Oktober ins KoKi zu einem finnischen Filmabend geladen und das Kino war ausverkauft. Vom „Schaulauf“ vieler Medienschaffender aus ganz Schleswig-Holstein beim Willkommens-Meeting und nach dem Filmabend bei finnisch-deutschen Leckereien nicht zu schweigen.

Anlass für das kleine feine Kurzfilmprogramm war die Kulturkooperation des Landes Schleswig-Holstein mit seinen ostbottnischen Partnerregionen rund um die Stadt Vaasa, die in diesem Jahr Film zum Arbeitsschwerpunkt des Kulturdialogs ausgewählt haben. Konkrete Frucht dieser Zusammenarbeit ist ein gemeinsames Filmprojekt von Muthesius-Kunsthochschule und Kultureller Filmförderung S.-H. mit der finnischen Film- und Fernsehhochschule in Nykarleby. Das Projekt trägt den Titel „2 plus 2“, je zwei Filmschaffende, Britta Potthoff und Nils Morich von der Muthesius-Kunsthochschule und Bo Forsander und Joakim Finholm von der Film- und Fernsehhochschule in Nykarleby, besuchten im Sommer für sechs Drehtage das jeweils andere Land, um es aus ihrer Perspektive, „mit dem fremden Blick“, zu porträtieren. „Aus dieser Arbeit entstehen Projekte, die den kulturellen Austausch mit Leben ausfüllen“, sagte Staatssekretär Heinz Maurus, Leiter der Staatskanzlei, in seinem Grußwort und lobte die Unterstützung der Filmemacher durch die Kulturelle Filmförderung, in deren Filmwerkstatt die acht Episoden des „2 plus 2“-Films derzeit geschnitten werden. Ende des Jahres soll er fertiggestellt werden, drei Episoden konnte man schon an diesem Filmabend bewundern.

Dass man „aus den allerersten Eindrücken heraus und ohne Zeit für Recherche“ direkt an die Arbeit ging, empfanden Forsander und Finholm zunächst als „ein bisschen schwierig“, dann habe es sich aber als besonders kreativ erwiesen. Auch Potthoff und Morich legten in Ostbottnien sofort los und konnten so „die Spontaneität einbringen“. Das sieht man den ersten drei bereits fertigen Episoden auch an – und man erkennt, dass die „drögen“ Schleswig-Holsteiner viel gemein haben mit den Ostbottniern. Einen Ökobauern beim Holzhausbau und sein Plädoyer dafür „Sachen langsam zu machen“ beobachteten Potthoff und Morich. Forsander und Finholm porträtierten den Kapitän einer Fähre über den Nordostseekanal, der seine 165 täglichen Touren über den Kanal als Arbeit empfindet, „die einen ausfüllt“, nur mit den großen Pötten, die den Weg der Fähre kreuzen, habe man „manchmal so seine Sorgen“ ... Ein Schleswig-Holsteiner, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Ebenso ein Schäfer, der seine Herde auf dem Vorland einer Haalig grasen lässt. „Da muss man mit Leib und Seele dabei sein, sonst hat das keinen Wert“ – sympathische Bodenständigkeit zielsicher mit dem spontanen Kameraauge eingefangen.

So manches Schmunzeln – auch über sich selbst – erzeugte so der „fremde Blick“ der finnischen Filmer beim Publikum, nicht anders die finnischen Kurzfilme. Dass der nordische Humor ein ganz eigener ist, kennen wir nicht erst seit den Werken von Aki Kaurismäki. „Lemmy’s Shades“ von Mikael Paananen (2004, 25 Min.) zeigt auch so einen schrägen Charakter. Als Lemmy Kilmister, Sänger der Kultband Motörhead, 1999 bei einem Konzert in Schweden seine Sonnenbrille ins Publikum warf, war Marco Lindholm der glückliche Fänger der Devotionale. Nur wie beweisen, dass die „Shades“ auch wirklich von Lemmy stammen? Der Dokumentarfilm begleitet Lindholm und seine Freunde beim Versuch, bei einem Motörhead-Konzert hinter die Bühne zu kommen und den verdutzten Lemmy selbst zu fragen. Nicht nur eine ironische Doku, die zeigt, welche abstrusen Blüten Fantum und Kult treiben können, auch eine kleine Studie darüber, was eigentlich real ist, was Abbild, was Dokument, was Inszenierung. Denn der Film selbst ist am Ende der einzige „Beweis“, dass die Brille von Lemmy ist.

„Perkele“ von Arto Tuohimaa (2004, 18 Min.) spielt ebenfalls mit dem Semi-Dokumentarischen. Drei Kollegen einer Fahrgemeinschaft haben so ihre Alltagsprobleme. Und wenn ihm was misslingt, dann sagt der Finne „Perkele!“, was so viel wie „Teufel auch!“ heißt, aber auch das Schmunzeln über sich selbst und die Tücken des Lebens enthält. Ob der Eisbohrer abbricht und man schließlich per Sprengsatz das Loch ins Eis stemmt, ein Lächeln bleibt für jedes Missgeschick. Und manches hat auch ein Happy End, wenn der eine unverhofft Großvater wird und für den anderen die Lottofee, bei der er noch nie was gewonnen hat, die Frau fürs Leben werden könnte. Hier zeigt sich filmisches Erzählen, das fast ohne Dialoge auskommt. „Show it, don’t tell it“, die weise Drehbuchregel, at its best.

Auch auf dem Gebiet der Animation sind die Finnen höchst einfallsreiche Filmemacher. Im Fotofilm „Helt huvudlöst“ von Charlotta Green (2005, 4,5 Min.) geht ein herrenloser Hut um die Welt, erlebt Abenteuer und findet schließlich den Kopf, auf den er passt. „Optinen ääni – Optical Sound“ von Mika Taanila (2005, 6 Min.) zeigt das archaisch-futuristische Ballett der Druckköpfe von Nadeldruckern. Eine aussterbende Spezies, die hier nochmal den Sound des Druckens zu einer kleinen Sinfonie werden lässt, perfekt choreografiert in den swingenden Bildern. Tuukka Hari schließlich zeigt in „Telakka“ in konsequent eingesetztem Zeitraffer das Kommen und Gehen der Schiffe in einem Trockendock, das Fluten und Leeren des Beckens, ja selbst den Wechsel der Jahreszeiten. Film als Zeitmaschine, aber auch als Vermittler einer seltsamen Poesie einer Technik, die aufs engste mit der Natur und ihren „Gezeiten“ verbunden ist. Eine filmische Liebeserklärung an Raum und Zeit, ein Gedicht über Werden und Vergehen. (jm)

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