Highlights im Kieler KoKi

Das Kieler KokI zeigt im August:

Kieler Kultursommer im KoKi: Kino Kultur digital: Der Ring des Nibelungen

Die Fernsehausstrahlung von Wagners Zyklus Anfang der 1980er Jahre war spektakulärer Höhepunkt eines Musik- und Theaterereignisses. Schon ein halbes Jahrzehnt zuvor hatte es Furore gemacht und die Opernwelt in Aufruhr versetzt. Boulez und Chéreau präsentierten 1976 in Bayreuth zum 100. Jubiläum der Uraufführung ihre Vision von Wagners Ring des Nibelungen. Ihre Arbeit stellte das Werk an seinen gebührenden Platz, ins Zentrum der künstlerischen Auseinandersetzung. Als die Inszenierung vier Jahre später zum letzten Male auf die Bühne kam, war sie bereits als historische Leistung in die Annalen der Bayreuther Festspiele eingegangen. Chéreau arbeitete eng mit Video-Regisseur Brian Large zusammen, um das Theaterereignis auf den Bildschirm zu übertragen. So konnten sensationelle Leistungen der Premierenbesetzung, angeführt von Donald McIntyre, Gwyneth Jones und Manfred Jung, bewahrt werden. Mit dieser Produktion wurde Neuland betreten: Nicht nur war der Zyklus erstmals vollständig im Fernsehen zu sehen, er hatte auch eine neue menschliche Dimension gewonnen. Chéreau sagt: Es war „Theater, nicht nur Oper“. Die technische Entwicklung und das digitale Kino machen es jetzt möglich, diese „Jahrhundert-Inszenierung“ in berauschender Qualität auch auf großer Kinoleinwand zu erleben.

Der Ring des Nibelungen
Bühnenfestspiel für drei Tage und einen Vorabend von Richard Wagner. Die Aufführung des „Bayreuther Jahrhundert-Rings“ (1976-1980). Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele unter der Leitung von Pierre Boulez. Inszenierung: Patrice Chéreau. Bildregie: Brian Large
Das Unheil beginnt damit, dass Alberich, der Nibelung, das Rheingold raubt, um sich daraus einen alles beherrschenden Ring schmieden zu lassen. Gleichzeitig ist Göttervater Wotan in der Verlegenheit, zwei Riesen für den Bau seiner Burg Walhall bezahlen zu müssen. Statt ihnen nun wie verabredet die Göttin Freia - immerhin seine eigene Schwägerin - zu geben, verspricht er ihnen das Rheingold, das er mitsamt dem Ring durch eine List Alberich abgewinnt. Kaum ist der Ring dieserart in der Welt (und von Alberich mit einem Fluch belegt), häufen sich die Todesfälle. Undenkliche Zeiten und drei Opern später wird diese Götterwelt ihr pompöses Ende finden. - Richard Wagner (1813-1883) begann bereits 1848 mit dem Entwurf seines gewaltigen Opernzyklus, um fast 30 Jahre daran zu arbeiten. Früh zeigte sich, dass das vierteilige Werk kaum in den Spielbetrieb regulärer Opernhäuser würde aufgenommen werden können. So entstand der Gedanke des Festspiels in einem eigens auf die bühnen- und klangtechnischen Erfordernisse gebauten Theater, das in Bayreuth König Ludwig II. von Bayern zu realisieren half. 1876 erlebte der Ring ebenda seine erste Gesamtaufführung. Zur 100-Jahr-Feier dieses Anlasses lud Wolfgang Wagner, Urenkel des Komponisten und Leiter des Festspielhauses, Patrice Chéreau und Pierre Boulez 1976 nach Bayreuth ein, eine neue Inszenierung des Ring zu erarbeiten - nach der Uraufführung und einer Gesamtinszenierung von 1951 erst der dritte Bayreuther Ring. Die Verpflichtung der beiden Künstler beschwor einen Skandal herauf: Die Musiker gründeten ein Komitee, das Wolfgang Wagner ihren Protest gegen Boulez’ Klangkonzeption vortrug und mit einem Streik drohte, Kritiker und Publikum reagierten teilweise entsetzt auf die anspielungsreiche Bilderfülle - ohne zu erkennen, dass sich Chéreaus Inszenierungsansatz konsequent im sozialpolitischen Deutungshorizont Wagners kunsttheoretischer Schriften bewegt. Bis zum Ende der Spielzeit wandelte sich die öffentliche Einschätzung: Als Chéreaus/Boulez’ Ring 1980 zum letzten Mal gespielt wurde, verabschiedete das Publikum die Inszenierung mit einem 90-minütigen Applaus bei 101 Vorhängen! Glücklicherweise entschied das Bayerische Fernsehen, den „Jahrhundert-Ring“ aufzuzeichnen und so für die Nachwelt zu erhalten. Ein kurzes Zeitfenster im Wechsel der Verwertungslizenzen ermöglicht es nun, diese Inszenierung in bester digitaler Bild- und Tonqualität im Kino zu erleben. An vier aufeinander folgenden Sonntagen präsentiert das KoKi im Rahmen des Projektes Kino Kultur digital den ganzen Ring - und zwar nicht erst in neun Jahren (so lange dauert die reguläre Wartezeit auf Karten für die Bayreuther Festspiele), sondern schon jetzt im August!

Das Rheingold: 148 Min. Mit Donald McIntyre, Hermann Brecht, Fritz Hübner, Carmen Reppel, Norma Sharp, Ilse Gramatzki, Marga Schimi.
So, 7.8.

Die Walküre: 221 Min. Mit Donald McIntyre, Peter Hofmann, Matti Salminen, Jeannin Altmeyer, Gwyneth Jones.
So, 14.8.

Siegfried: 232 Min. Mit Manfred Jung, Donald McIntyre, Hermann Brecht, Fritz Hübner, Norma Sharp, Gwyneth Jones.
So, 21.8.

Götterdämmerung: 255 Min. Mit Manfred Jung, Franz Mazura, Donald McIntyre, Hermann Brecht, Fritz Hübner, Norma Sharp, Ilse Gramatzki, Marga Schimi, Gwyneth Jones.
So, 28.8.

Beginn jeweils 16 Uhr. Mit Pausen und Buffet. Einzelkarte: 5,50/5,00 EUR. Gesamtkarte: 18,00/15,00 EUR. Vorbestellung empfohlen!

Open Air Kino im Hof hinter der Pumpe

Kino unterm Sternenhimmel (mit freundlicher Unterstützung des Parkhauses Jensendamm) hat immer seinen ganz besonderen Charme. Dass es hier im Norden ein eher seltenes Vergügen bleibt, ist einerseits den sehr langen Sommertagen, andererseits besonders dem unbeständigen Wetter geschuldet, wie wir und die Besucher immer wieder in den letzten Jahren feststellen mussten. Abschrecken lassen wollen wir uns auch heuer aber nicht: Pünktlich zur Kieler Nacht der Museen am 26. 8. hängen wir unsere Leinwand wieder in den - hoffentlich nicht zu starken - Wind und laden alle kulturhungrigen Nachtbummler ab 21 Uhr bei freiem Eintritt zu einem abwechslungsreichen Kurzfilmprogramm auf den Hof hinter der Pumpe mit Fundstücken aus dem Internet, Kunstvideos, Unterhaltsamem, Lokalem, Historischem - eine Filmauswahl, die wir in Zusammenarbeit u.a. mit der Kulturellen Filmförderung S.-H. anbieten. Im Programm auch „Stendhalissimo“ (Nina Heinzel, Sabine Schröder, Kiel 2005, 25 Min.), in dem zwei Künstlerinnen nach dem idealen Kunstbetrachter suchen und auf das Stendhal-Syndrom stoßen: in Florenz sollen Touristen aus Ehrfurcht vor großer Kunst in Ohnmacht fallen. Höchst erfreut reisen sie nach Italien, um das Phänomen in Augenschein zu nehmen ... Am Samstag, 27.8., und Sonntag, 28. 8., zeigen wir - ebenfalls bei freiem Eintritt - jeweils einen Überraschungsfilm. Verraten sei bisher nur, dass es garantiert klassisch und garantiert komödiantisch zugehen wird. Und sollte uns der Sommer im Stich lassen, weichen wir in den großen Saal der Pumpe aus.
Fr, 27. bis So, 28.8., 21 Uhr

Lost Highway

Zu Gast: Barry Gifford - mit der Kulturellen Filmförderung S.-H.

David Lynch. B: Barry Gifford. USA 1996. OmU. 135 Min. Mit Bill Pullman, Patricia Arquette, Robert Blake

Der Saxofonist Fred Madison bringt aus Eifersucht seine Frau Renée um, kann sich jedoch nicht an die Tat erinnern; und als die Gefängniswärter am Tag nach seiner Verhaftung seine Zelle öffnen, finden sie dort jemand anderen: Pete, ein junger Mann, der vor kurzem spurlos verschwand. Er wird frei gelassen; als er eine Affäre mit der geheimnisvollen Alice beginnt, nähert sich die Geschichte ihrem Ursprung: Denn Alice ähnelt der getöteten Renée ... ein schizophrener Kursus durch einen Lynch-typischen Kosmos, der in einer paradoxen Zeitschleife mündet. - David Lynch entwickelte das Drehbuch zu diesem „21st-century noir horror film“ gemeinsam mit dem Roman- und Filmautor Barry Gifford, mit dem er bereits bei „Wild at Heart“ und der TV-Serie „Hotel Room“ zusammengearbeitet hatte. - Anlässlich der der Uraufführung der Oper „Madrugada“ nach einem Libretto von Barry Gifford im Opernhaus Kiel am 19.8. ist der Autor zu Gast in der Landeshauptstadt - für das Kommunale Kino ein willkommener Anlass, ihn bei uns für eine Filmvorstellung mit anschließendem Gespräch zu begrüßen.
Sa, 20.8., 20.30 Uhr

Am Tag als Bobby Ewing starb

Lars Jessen. D 2005. 89 Min. Mit Gabriela Maria Schmeide, Peter Lohmeier, Franz Dinda, Nina Petri, Richy Müller

1986 - Niels übersiedelt mit seiner Mutter in eine Landkommune unweit der AKW-Baustelle Brokdorf. Der 17-Jährige fühlt sich fehl am Platz; erst recht, nachdem die Mama eine Liaison mit dem Kommunenguru Peter beginnt. Als Niels sich im AKW-Widerstand engagiert, ist für ihn Ärger vorprogrammiert - vor allem mit dem Freund seiner Mutter, der sich in seiner Autorität beschädigt fühlt. Andererseits hofft der Jung-Revoluzzer, dass sein Engagement der Bürgermeistertochter imponiert. Doch dann kommt es im fernen Tschernobyl zur Katastrophe ... Der Film erhielt den Max-Ophüls-Preis und hatte seine Schleswig-Holstein-Premiere bei der ausverkauften Eröffnungsveranstaltung des diesjährigen Filmfestes AUGENWEIDE in der Pumpe. Seitdem hat er sich zu einem Renner gemausert, der anscheinend Publikum und Kritiker spaltet. So warnt die Junge Welt: „Die in vielen Presseartikeln als ’kritisch-humorig’ gelobte Bilanz der ’sozialen Irrtümer der Anti-AKW-Generation’ (Spiegel) ist weder kritisch noch humorig ... Der Film ist nichts als eine gedanken- wie zusammenhanglose Aneinanderreihung vieler toter Bilder.” Die Welt sieht ein Werk voll „Abschied und Wehklage. Glänzt aber gerade durch die Abstinenz jeglicher Sentimentalität oder Ironie. Nein, dieser Film ist in die große Kategorie Ausstattungsfilm einzuordnen: ein Kostümfilm, bei dem einmal keine Pompadour-Perücken und keine Wagenrad-Reifröcke getragen werden, sondern eben Latzhosen, selbstgestrickte Schlabberpullis und völlig indiskutable Frisuren.“ Ein Stück jüngere deutsche Geschichte, urteilt br-online, als „spannender Film für die mittlere Generation, die ihre jugendlichen Ideale zugunsten von Sicherheit und Wohlstand verraten hat. Und ein verblüffend aktueller Film, wenn wir an das Ende der rot-grünen Regierungskoalition denken.” „Am Tag als Bobby Ewing starb“ ist offen genug, jeden zur Reflektion eigener Positionen und Erfahrungen zu provozieren: Ein guter Grund, den Film zu sehen, vielleicht mit der freundlichen Ermahnung der Tageszeitung im Hinterkopf: „Passt bloß auf, ihr Jungregisseure und Erziehungsberechtigten von 2005, zwanzig Jahre später seid ihr dran, am Tag als wer auch immer starb.”
Do, 18. und Fr, 19.8., 21 Uhr; Sa, 20.8., 19 Uhr; So, 21. bis Mi, 24.8., 21 Uhr

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